. Die Lockungen und Drohungen deö Bonapartismus stehen uns gegenüber. Die Zollkrise' brennt und die Spannung mit seinen Verbündeten ist noch nicht erledigt. Im Innern gährt die Frage: ob Stände, ob Kammern? und die uns unaustilgbar anklebende Spaltung in der Religion droht das Vaterland zu zerreißen. Die Nothwendigkeit einer starken Regierung ist unter diesen Umständen so handgreiflich, daß selbst die Gegner sie einsehen müssen. Nament lich jedem Angriffe auf Olmütz, jedem Liebäugeln mit Erfurt
diese Kammersitzung, nicht vorübergehen, ohne daß wiederum, wie m den vorigen Sitzungen, ein tüchtiges Quantum Märzerrungen schaften von der Haut des Vaterlandes abgerieben wird. Die zartesten und schwierigsten Fragen , die vor die Kammern kommen werden, find die, welche das Gebiet der Kirche berühren. Die Krisen der Kirche selbst reichen weit hinaus über die Kammern- über den preußischen Staat und über daS neunzehnte Jahrhundert. Wohl uns, daß die Inkompetenz der Kammern in diesen erhabenen Regionen anerkannt
ist! Sie haben, als Kammern, baö Innere der confessionellen Gebiete mit religiöser Scheu, als ihnen ver botenes heiliges Land, zu meiden. Aber gerecht zu sein gegen die römische wie gegen die evangel. Kirche, das ist ihr politischer Beruf. And auch über den Buchstaben des Rechtö hinaus mit Billigkeit, ja! mit Liebe, der andern Confession entgegen zu kommen, das ist die heilige Pflicht jedes christlichen Kammergliedes. In diesem po sitiven Sinne ist die, so oft mit grauer Indifferenz verwechseltes Parität eine Wahrheit
. Daß der Staat seine Pflichten gegen Confessionen erfülle, dahin haben in den Kammern beide Confessio nen zu wirken. Und — soll ein Unterschied gemacht werden — so ist dieser Beruf, .Gerechtigkeit, Billigkeit und Liebe zu üben/ auf Seiten der Evangelischen stärker, als auf Seiten der Römisch- Katholischen , weil Preußen seinem vorwiegenden Charakter nach ein evangelischer Staat, also die evangelische Kirche insofern, poli tisch betrachtet, im Vortheil ist, und weil die Anerkennung der geist lichen
, welche für sie einsteht, in den Kammern nicht fehlen. Hoffentlich werden in dieser Phalanx ..Männer sich finden , welche verstättdig und gerecht genug sind, anzuerkennen, was auch der Papst anerkennt, daß seit Jahr zehnten und Jahrhunderten zarte und vielfach verschlungene Ver hältnisse ihrer Kirche zum preußischen Staate sich- gebildet haben, und daß zur definitiven Regulirung dieser Verhält nisse die 1848 in der Angst deö Moments in die Welt ge schossenen Grundrechts-Phrasen der Verfassungs-Urkunde