Urteil anbelangt, ist nur zu sagen: Hätten die sozialistischen Ge werkschafter, die an der Spitze der Arbeiterkam mern stehen, und ihre beamteten Mitarbeiter nicht wiederholt in schwierigen Situationen weit mehr Objektivität bewiesen als ihre volksparteilichen Gegner von der Unternehmerseite, dann wäre Oesterreichs Wirtschaft und damit dieser Staat selbst schon längst vor die Hunde gegangen. Die feindselige Polemik der Unternehmer kammern gegen die rechtliche Gleichstellung der Arbeiterkammern
und die publizistische Verbrei tung dieses eigenartigen Gutachtens ist sehr wenig klug; sie beweist nur, was hinter dem hysterischen Schrei nach der „fteien Wirtschaft" wirklich steckt: Die Angst vor der Kontrolle, weil Bluff. Ver schleierung und Schiebung für dieses Wirtschafts system unentbehrlich sind. Daß sich die Handels kammern die Verteidigung dieses ungehemmten kapitalistischen Systems zur Hauptaufgabe ge macht haben, kann man nur mit größtem Be dauern als Beweis dafür werten, wie wenig die Vertreter
keine revolutionäre Neuerung darstellt, weil schon ein Gesetz aus dem Jahre 1621 die völlige Gleichstellung der Arbeiter- kammern mit den Handelskammern vorgeschrieben hatte — was freilich unter den rein bürgerlichen und arbeiterfeindlichen Regierungen der Ersten Republik oft völlig mißachtet wurde —, erhebt sich nun über den Ministerialentwurf des neuen Ar beiterkammergesetzes großes Entrüstungsgeschrei von der Seite der Handelskammern. Hierzulande macht sich die „Tiroler Tageszeitung" wie immer Willig
zum Sprachrohr der Unternehmerschaft. Unter der Ueberschrift „Arbeiterkammern wollen Behörden werden" veröffentlichte sie kürzlich eine Stellungnahme der Bundeswirtschaftskammer zu dem neuen Gesetzentwurf, die in mehrfacher Hin sicht interessant ist. Die Ueberschrift ist natürlich ein blühender Unsinn. Zum Behördencharakter gehören Anord- nungöbefugnis und Strafgewalt. Die Arbeiter kammern erstreben weder das eine noch das an dere. ES genügt ihnen, überall dort Einblick und Unser neuer Roman
wird, daß die Arbeiter kammern Besetzungsvorschläge für Körperschaften mrmer dann erstatten können, wenn dies zur Wahrnehmung der Arbeiterinteressen notwendig erscheint. Man beachte „Vorschläge"! Solche Vor schläge, welche die Entsendung eines Arbeiterver treters in eine Körperschaft bewirken sollen, kön nen nur an eine Behörde gerichtet werden, die dann entsprechend den Vorschlägen ernennen kann. Die Entscheidung liegt also immer bei der Behörde! Ist das Anarchie? Man ist verblüfft über ein solches Maß