Kunstgriffe und Vorteile, und wer sie nicht kennt, kommt darin nicht zurecht. Die Wahrheit obigen Sprichwortes erfuhr einstens ein herzensguter, von seinem Volke geliebter Fürst, nämlich der König Maximilian Joses von Bayern. An einem Sommertag saß derselbe in einfacher Kleidung im Schloßgarten von Tegernsee und las. Die Hitze war so groß, im Garten war es so stille, daß dem König beim Lesen die Augen zufielen. Er legte das Buch neben sich aus die Bank und schlummerte ein. Als er wieder erwachte
, entschloß er sich, den Schlaf durch einen Spaziergang zu ver lreiben. Der Weg, der ihn immer mehr vom Schloß- gmten entfernte, führte ihn endlich auf die Wiesen, die sich rechts und links gegen die User des Sees neigen.' Hier fiel dem König sein Buch wieder ein, das er aus der Bank im Parke hatte liegen lassen. Da er nun nicht aus dem nämlichen Wege zurück kehren wollte, so sah er sich nach jemand um, der ihm das Buch hole. Weit und breit sah er aber keinen Menschen, als einen Jungen der die Gänse
hütete. Der König ging auf ihn zu und sagte: „Höre, Kleiner, du könntest mir wohl mein Buch, das ich auf einer Bank im Parke habe liegen lassen, holen; du sollst einen Gulden Trinkgeld haben.' Der Junge, der den König nicht kannte, sah den dicken Herrn mißtrauisch an. Einen Gulden sür einen so kleinen Dienst, das wollte ihm nicht einleuchten. „Bin kein Pinsel nit,' sagte er, sich abwendend. „Warum glaubst du, daß ich dich sür einen Pinsel halte?' sagte lächelnd der König, dem der srische, kecke Bube
gefiel. „Weil Ihr sür so a nixigen Dienst einen Gulden bietet,' erwiderte der Knabe; „das Geld wird so leicht nicht verdient! Die dort drunten,' setzte er bei und zeigte mit den Fingern auf das ferne Schloß, „halten unsereinen gern sür a Narren, und Ihr seid wohl auch einer von dort?' „Und wenn's auch wäre,' sagte der König, „hier hast du im voraus zwei Zwanziger! Nun geh und hol mir das Buch.' Des Knaben Augen blitzten, als er das Geld in der Hand hielt; denn sür nicht viel mehr mußte er das ganze
Jahr hindurch die Gänse hüten, und dennoch zauderte er. „Nun,' fragte der König, „warum gehst du nicht?' Der Knabe schob seine Mütze auf die Seite und kratzte sich hinterm Ohr. „Ja,' sagte er, „i wollt schon, aber . . . i darf nit! Wenn die Bauern hörten, daß i d'jGäns verlassen, so jagten se mi fort und i hätt' kein Brot mehr!' „Dummer Kerl, ich hüte sie, bis du wieder kommst!' „Ihr?' erwiderte der Junge, indem er den Fremden von oben bis unten mit den Augen maß, „Ihr kommt