Heinrich von Bozen : Leben und Sterben eines armen Deutschen
Seine Wohnstatt ist noch immer draußen im ZyPressenwÄdchen, wenn auch die kühlen Frost nächte des Winters, der hierzulanb nicht Schnee und Eis bringt, seinen alten, halblahmen Leib bös durchrütteln; er betet sich schon wieder heiß. — An einem Tag, an dem Heinrich wieder an die Klosterpforte kommt, wo sein Laurentius als Armenfrater wirkt, kniet dieser sich auf einmal vor den Vater hin und sagt: „Bruder Rigo, da du mein lieber Vater bist und ich dem Gebote gemäß in unser Kloster nach Venedig
abwandern muß, so bitt ich dich, gesegne mich zum Abschied und verzeih mir meinen Hoch mut, daß ich dich, liebster, bester Vater, so lang verleugnet habe.' Auf das hin schließt Heinrich LaurenZius so innig an sein Herz, als wär dieser wirklich seines BluteS Kind, daß alle Bettelbrüder rings vor Staunen und Rührung sich ganz still verhalten. Dann sagt er: „O Kind, dank Gott der großen Gnade, nun bist du schon so weit, daß du fröhlich vorwärtswandem magst; und wandre bis ans Ende
, wo wir uns wie der in Gottes Hut und Liebe zu treffen hoffen.' An diesem Mittag behaltet Heinrich des Lauren Zius Liebesgabe für sich selber, die er sonst der bessern Bissen wegen gern mit einem Siechen oder Hungrigeren, als er ist, vertauscht. Am der Liebe willen, die ihm Laurenzius heut angetan, fühlt er sich doppelt gestärkt durch dieses Mahl.