! Ein herzliches Mitleid quoll in ihr auf, zugleich bekam sie aber auch Respekt vor dem stillen Alten und ihre größere Achtung vermehrte nur wieder ihre Liebe! Annekunnel hoffte, die Kirmes würde ihn zerstreuen, er- heitern, allein auch diese Erwartung erfüllte sich nicht. Am ersten Kirmestag ging er in Geschäften über Land, heute ar- beftete er „wie ein Feind" und schien wieder das Wirtshaus meiden zu wollen. Bekümmert trippelte sie um Gottfried, end lich legte sie ihre Hand aus seine Schulter und sagte
: „Gott fried, laß doch wenigstens heute die Arbeit, 's ist ja zweiter Kirmestag. Guck', alle Nachbarn sind im Wirtshaus und ma chen sich vergnügt — leg' jetzt die Arbeit weg und geh' auch unter Gesellschaft!" Gottfried nahm eine mächtige Prise, schaute lange selbst vergessen durch's Fenster, dann sich besinnend, sagte er leise „Alte — ich bleib' daheim, ich gehör' nicht dahin!" „Das ist nun wieder eine Rede! — Gottfried, ich bitt' dich, tu' mir's zulieb, gönn' dir auch einmal 'ne Abwechs lung — geh
er und begann eifrig zu nähen. Annekunnel kam das Wasser in die Augen, eifrig entgegnete sie: „So solltest du nicht reden, Gottfried, 's ist wahrhaft ein groß' Unrecht von dir. Du bist ein rechter Mann, das weiß ich, und das sag' ich, und dabei bleib' ich! Und hast du dich einmal übereilt, so will ich sehen, wer dir deswegen so argen Vorwurf machen darf. Komm, Alterle, sei vernünftig, red' nimmer so ängstlicher Zdug. Nimm ent, wenn jeddr so dächt', 's wär' ja gar aus auf der Welt, das Leben nimmer
zu ertragen, kein Mensch dürfte mehr 'ne fröhliche Miene zei gen!" „Eben das ist der Jammer, daß nicht ein jeder so denkt, » daß man so leicht und so gern vergißt, was doch die Haupt sache ist im Leben!" entgegnete Gottfried eifrig. „O ja doch, wie viel Dummheiten blieben ungetan, wie viel Zorn und Feind schaft gäb's weniger in der Welt, wie viel Kummer und Not blieb aus, hielt der Mensch immer seine Pflicht und Schuldig keit im Gedächtnis! — — Laß mich nur, Annekunnel! Du meinst's ja freilich gut
!" Annekunnel kam das Wasser in die Augen. Sie setzte sich neben Gottfried auf den Schneiderstisch, legte ihren Kopf an seine Schulter, zog seine Hände schmeichelnd von der Arbeit weg und sagte: „Nicht so, Gottfried, nicht so! Allzu ängst liches Sorgen ist auch vom Uebel. Und verspielen wir und verlieren wir auch alles, wir wollen nicht verzagm, wenn wir noch beisammen sind. Dauern könnt' mich unser Pat', der Heiner! Im Grund ist der schlimmer dran als wir. Sein Glück ist dahin und er hat noch solch' langes