20 Lire. Schweizer Brief. Schweiz, 2. Oktober 1S05. In der Schweiz ist man immer mehr bestrebt, den Kamps gegen den Alkohol durchzuführen. So wird nebst anderen Kantonen auch im Kanton Waadt daS gänzliche Verbot des Absinth Verk aufs angestrebt. Die Bewegung geht von der Gemeinde Comugny aus, wo letzthin ein Angehöriger dieser Gemeinde Frau und Kinder im Delirium ermordet und zuletzt an sich selbst einen Mordversuch be gangen hatte. Eine daselbst stattgehabte Versamm lung beschloß einstimmig zwei
Petitionen an den Großen Rat, eine von den Männern, die andere von den Frauen der Gemeinde unterzeichnet» die das unbedingte Verbot des Verkaufes von Absinth auf dem ganzen Gebiet des KantonS Waadt for dern^ Ergreifend ist namentlich die Eingabe der Frauen, in der geschildert wird, wie einzelne der Petentinnen wegen ihrer dem Trunke ergebenen Gatten in steter Todesgefahr fchweben. Man hofft in Comugny, daß sich die Bittschriften im ganzen Kanton mit einer großen Menge von Unterschriften bedecken
werden. Die Presse hat ihre Bedenken, doch begrüßt sie das Vorgehen der Gemeinde Comugny und wünscht ihr besten Ersolg. Bemerkens wert aber erscheint der Empfang, den das Genfer Sozialistenblatt „Le Peuple' . der Bewegung be reitet. Man liest da: „Wir kennen Alkoholiker, die waren vortreffliche, nette Kameraden; dann fielen sie dem Trunke anheim; erst nahmen sie einen Absinth am Mittag, dann auch einen am Abend, zuletzt genoffen sie zwei, ja drei vor Tisch, wenn sie nicht geradezu die Mahlzeit durch das Getränk
Gemeinden deS KantonS Waadt, ungemein verderblich wirkt und schrecklich viel Elend an richtet, kann man sich vorstellen, daß solide und einsichtige Leute mit diesem Krebsschaden ganz abfahren und den Absinth rundwegS verbieten möchten.' Ein Genfer. Herr Henry Correvon, schreibt der „Gazette de Lausanne', daß er in einer waadt- ländischen Gemeinde einige Zeit zu verbringen ge dacht habe, wo er vor 20 Jahren Wohlstand, ja Reichtum und eine würdige und stolze Einwohner schaft geschaut habe. Im Juni, mitten
an emem Werktage, sei er Heuer dort eingetroffen und habe im Wirtshaus in einer betäubenden Atmospähre von Absinth einige dreißig Bauern gesunden, junge Leute, Familienväter und Greise, teils aufgeregt lärmend, teils stumpfsinnig in einem Winkel hockend. Eine elende Frau stand auf der Schwelle und suchte ihren Sohn zur Arbeit und zur Pflicht zurückzurufen. Und sie erzählte dem Beobachter Dinge, die auf eine völlige Verkommenheit der ganzen Gemeinde schließen lassen, und diese Ge meinde fei