im Herrgottswinkel. Lichtenstein. Romantische Erzählung aus der württemhergischen Geschichte von Wilhelm Hauff. u ' (Fortsetzung.) „Dank dir, Bärbele," entgegnete Georg und reichte ihr die Hand zum Abschied hinab. „Ich kann dir deine treue Pflege nicht vergelten; aber wenn du nach Haus kommst, so schau' in den geschnitzten Schrank, dort wirft du etwas finden, das vielleicht zu einem neuen Mieder oder zu einem Röckchen für den Sonntag reicht. Nun, und wenn du es dann zum erstenmal anhast
, ob sie die Strahlen der Sonne dadurch abhalten wolle, indem sie ihm nachblickte oder ob sie vielleicht jene Träne verwische, die er in ihren Wimpern blinken sah, als sie Abschied nahm. Bald war er am Tor der kleinen Stadt angelangt. Er fühlte sich ermüdet und durstig und fragte daher auf der Straße nach einer guten Herberge. Man wies ihn nach einen: kleinen düsteren Haus, wo ein Spieß über der Türe und ein Schild, mit einem springenden Hirsch ge- ziert, zur Einkehr einluden. Ein kleiner barfüßiger Junge führte
jungen Ritter prüfend an, als er an ihren Tischen vor- über zum Ehrenplatz, in ein sechseckiges, wie eine Laterne aus lauter Fenstern erbautes Erkerlein geführt wurde; doch ließen sie sich in ihrem Gespräch durch den vornehmen Gast nicht lange stören, sondern schwatzten weiter über Krieg und Frieden, über Schlachten und Belagerungen, wie ehrsame Spießbürger in so unruhigen Zeiten, wie Anno 1519, zu tun pflegten. Die Wirtin schien an ihrem Gast Gefallen zu finden. Sie schaute mit lächelnder Miene
auf dem Lichtenstein ist ein — ein — ja bei uns Bürgersleuten würde man sagen, sie ist ein schlechtes Ding, eine lose Dirne —" „Frau Wirtin!" ries Georg. „So schreiet doch nicht so, verehrter Here Gast, die Leute schauen sich ja um. Meinet Ihr denn, ich fuge, was ich nicht ganz gewiß weiß? Denkt Euch, alle Nacht Schlag elf Uhr läßt sie ihren Liebsten in die Burg. Ist das nicht schrecklich genug für ein sittsames Fräulein?" „Bedenket, was Ihr sprechet! Ihren Liebsten?" „Ja, leider, nachts um elf Uhr ihren Liebsten
, so wohl bekannt. Freilich, wenn diese es gesagt hatte, war die Sache nicht mehr so zweifelhaft; denn er wußte, daß sie eine fromme Frau und dem Fräu lein sehr zugetan war. „Ihr kennt die alte Rosel?" fragte die Wirtin, er- staunt iiber den Eifer, womit ihr fremder Gast nach dieser Frau fragte. . Ich? Sie kennen? Rein, erinnert Euch nur, daß ich eute zum erstenmal in diese Gegend komme. Rur der •ame Rosel fiel mir auf." „Sagt man bei Luch nicht so? Rosel heißt Rosina bei uns. und so nenur man die alte