¬Die¬ kleinen Staaten Europas und die Entstehung des Weltkrieges
2ß4 IV. Die mittekuropmschm Staaten, ß. Belgien Aber selbst auf französischer Seite handelte es sich bei alledem nur um politische Fassaden, hinter denen sich die strategischen Hand lungen verbargen, die als notwendig erkannt worden waren. Bei der Ablehnung des deutschen Ultimatums seitens Belgiens hatte die Bezugnahme auf Frankreich eine Rolle gespielt, das sich zur Respek tierung der belgischen Neutralität verpflichtet habe, so daß kein strategisches Interesse den Rechtsbruch entschuldige
. Schon in diesem Zeitpunkt war eine derartige Bezugnahme auf den pflichttreuen west lichen Nachbarn nicht mehr berechtigt. Es ist heute bekannt, daß der französische Generalstabschef am z. August gegen Abend, noch vor Kenntnis der deutschen Sommati on, ja noch eine halbe Stunde vor deren Übergabe, die Variante des Aufmarschplans 17 in Kraft setzte, derzufolge die 4. und 5. französische Armee ihren Vormarsch auf belgisches Gebiet zu nehmen hatten, 1 Nur deswegen konnte J offre dem belgischen
Generalstab am folgenden Tage fünf Armee korps als Hilfe anbieten. Da war es für Frankreich kein allzu schwerer Entschluß, die Rolle des worthaltenden Garanten der belgischen Neutralität vor der Weltöffentlichkeit zu spielen, um so weniger, als es Joffre nicht auf eine Unterstützung der belgischen Armee im weitgehenden Sinne der Brüsseler Regierung ankam, sondern nur auf ein Aufhalten des deutschen Vormarsches an der Maas. Das Drän gen in Brüssel auf Hinausgehenlassen des Appells an die Garantie mächte
der Haltung der belgischen Heeresleitung, die ständig ihre Blicke auf Antwerpen gerichtet hielt, dei strategische Plan Joffres, der nicht mit einem so weit nach Norden ausholenden Vormarsch der deutschen Armeen gerechnet hatte, daran die Hauptschuld. 2 Auf der andern Seite war Deutschland nicht in der gleichen Lage. Von allen Seiten umstellt, wie der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg 1 Foerster a.a.O. 138. 2 Vgl. S. 247.