nehmen, daß uns das grausame Schicksal trennen würde, ehe wir uns noch ganz gehört. Es wäre vermessen von mir, wollte ich deine Jugend an mich ketten, der nichts ist, nichts werden kann, weil ihm im entscheiden den Moment die Mittel fehlen, das begonnene Studium zu vollenden. Ein Nichts bin ich, ein Bettler!' „Still, Karl-Christian, sprich nicht so, du klagst ungewollt den an, der da drunten ruht, dem wir soeben das letzte Geleit gaben. Wäre dein Vater kein so weltfremder Mann
dich und —' „Und so erfuhr ich, daß ich außer dem Vater die Braut ver loren, weil ich zum — Bettler geworden!' „Karl-Christian!' „Verzeih, Liese-Lotte, ich weiß nicht, was ich rede.' Er bedeckte das Gesicht des geliebten Mädchens mit zärtlichen Küssen: „Ich bin's ja selbst, der das Unhaltbare unseres Verlöbnisses einsieht, der dich bat, dich für ungebunden anzusehen. Wer weiß, wie viele Jahre vergehen, ehe ich dir ein Heim bieten könnte. An eine Vollen dung meines Studiums kann ich nicht denken. Wie traurig ist das Los
einer ewigen Braut! Liese-Lotte, ich muß dich freigeben und wenn das Herz darüber bricht!' „Ja, Karl-Christian! Und ich will frei sein, damit dich keine Fessel drückt!' „Damit mich keine Fessel drückt, Liese-Lotte, nur darum? „Ja, Karl-Christian, nur darum!' „Mädchen! Du weißt nicht, was du mir mit diesem Geständnis gegeben hast. Den Mut zum Weiterleben, die Kraft zum Vorwärtsstreben? Und wenn ich etwas erreicht habe, dann suche ich dich, und wenn ich dich gesunden, dann Liese- Lotte, frage
, brausendes Geläut erklingen ließen. An der Friedhofsmauer dufteten Veilchen, Liese- Lotte bückte sich unbewußt nach den blauen Frühlingskindern, als sie mit Karl-Christian das Tor durchschritt. * Sechs Jahre sind vergangen und Liese-Lotte erhielt kein Lebenszeichen von Karl-Christian. Sie verzagte nicht, sie fühlte es tief drinnen im Herzen, daß er ihrer nicht vergessen, und die leise Hoffnung, daß er dereinst doch wiederkehren würde, lebte in ihr und ließ sie in den schwersten Zeiten mutig
, aber sorgenfreies Dasein. Heute schauten ihre Augen mit ganz seltsamem Glanz aus die Veilchen nieder, deren Dust ihre Sinne liebkosend umschmeichelte. Ihr war so frühlingswarm ums Herz und ein eigenes Frohgefühl flutete durch ihre Glieder. Zum ersten Male seit sechs Jahren er fuhr sie etwas von Karl-Christian. In der Tageszeitung las sie heute morgen von einer nicht unbedeutenden Erfindung eines jnngen Elektrotechnikers, vr. Karl-Christian Förster. Das konnte kein anderer sein, als ihr Jugendfreund. So war's