Jungfrau Tag und Nacht deutlich fichtbar vor meiner Seele stand, meine Hände blieben müßig. — Da, in letzter Nacht, erschien sie mir nach langer, langer Zeit zum erstenmal wieder und, nachdem sie mir zugelächelt hatte, sagte sie: „Geh' ohne Scheu zum Erzbischof und heische von ihm ein Plätzchen an der Wand einer mir geweihten Kapelle, auf welche du das Bild malen kannst, das du im Herzen und im Kopf trägst: fürchte nichts es wird gelingen. Und will der Bischof deine Bitten nicht gewähren, so sage
ihm, daß ich es bin, die dich zu ihm schickt.' Als der Kirchenfürst dies gehört hatte, zögerte er nicht mehr, dem Maler Bruno zu willfahren, doch sagte er ernst und ihn mit scharfen Blicken betrachtend : „Doch merke dir: bist du ein Frevler und Be trüger, so wird es aus dem Bild erhellen und dann hast du keine Gnade von mir zu erwarten; ich werde dich so hart bestrasen, wie eS solche Tat verdient.' Diese Drohung blieb jedoch ohne Wirkung auf den Künstler und bald stand er, fleißig zeichnend, in der ihm zugewiesenen Kapelle
, eS fehlte ihm doch das Beste, der überirdische Ausdruck. Ei ja, es waren die Züge der heiligen Mutter und die des Kindes getreulich dargestellt; aber die selige Verklärung, die über ihnen ausgegossen lag, als Bruno sie im Traume sah, die mangelte dem Bild; die wiederzugeben ver sagte die Hand des Malers den Dienst. „Ach/ rief er in bitterem Schmerz, „der Bischof darf mich ruhig einen Frevler und Betrüger schelten, denn was nützen die Gestallen, entbehren sie des wunderbaren Glanzes, den ich geschaut
besitze^ 'elbst wenn er eS mit Gold hätte aufwiegen müssen, o daß er bald große Reichtümer erwarb, obschon hm niemals ein Bild so gelang, wie dies an der Wand in dvc Kapelle. . ^ Wie man ihn aber auch feierte und ehrte, er and keine Freude an der Welt und ihrem Getriebe; der Wunsch, fich ganz »nd gar dem Dienst seiner himmlischen Schutzfrau zu widmen, ließ ihm keine Ruhe, und nach einigen Jahren zog er sich als Mönch in ein ihr geweihtes Kloster zurück, dessen Kirche er mit zahlreichen kostbaren