Aus Gossensass : Arbeit und Brauch in Haus, Feld, Wald und Alm
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Author:
Rehsener, Marie / von Marie Rehsener
Place:
Berlin
Physical description:
S. [107] - 133
Language:
Deutsch
Notations:
Aus: Zeitschrift für Volkskunde ; 1900. - Xerokopie
Subject heading:
g.Gossensaß ; s.Volkskunde
Location mark:
III 108.681
Intern ID:
215340
Ein anderer hatte so viel Vieh, dass, wenn alles recht war, jede Nacht eine Kuli kälberte —, dem Sparer folgt aber der Zehrer — sein Sohn that nicht wie die andern: nicht gut. Er sang: Und wenn ich mein Vater a Kalbl verthu, So kälbert des Nachts mehr an andere Kuh. Ein grosser Bauer, der Moar in G’moarn (Meiern im Ridnaunthal, ihm gehörte damals allein, was jetzt viele besitzen) hatte den Brauch, alle Jahr eine Kuh für die Annen zu schlachten. Als er selbst nur noch eine Kuh hatte, schlachtete
er sie doch. Nachher ist er wohl wieder zu etwas kommen. Das Fleisch wurde vor der mitten im Thal auf einem Bühel gelegenen St. Magdalenenkirche 1 ) zerlegt und verteilt. Der Fleischklotz, auf dem dies geschah, steht noch in der Vorhalle; der Bauer selbst aber ist in der grossen Kirche abgemalt. Zu den letzten Draussenarbeiten gehört das Lauben. Am Rande der Felder, wo der Schatten nicht schaden kann, stehen Eschen. Die Blätter derselben werden auch als Viehfutter verwendet und damit sie dicht wachsen, die Bäume
unbarmherzig beschnitten. Die wunderlichen Formen der alternden Stämme zeugen von der Gewalt, die ihnen in einem langen Leben angethan ist; aber die jungen Reiser, die Râle 2 ), steigen immer wieder kerzengrade in die Höhe. Doch der Bauer sagt: „Das Schnoaten (schnaiten: bebauen) ist der Eschen Dungit (Dünger), dann wachsen sie wiech (üppig); es muss alles seine Eigenschaft haben.“ Es werden Leitern an die Bäume gestellt und oft sind es die ältesten Bauern, die sorgfältig auch das letzte Blatt herabholen