Beilage zu Nr. 63 des „Burggräfler' vom 9. August 1911. Der Tiroler Adler. Festrede bei der Derikmalseiuhülluvg in Sterzing am 30 Juli 1911, gehalten vonBruderWtllram. (Schluß aus dem Havptblatte.) Ich frage: Charakterisiert nicht schon das Aeußere des Adlers, sein gerader, nerviger Körper, der edle, königliche Stolz in seiner Haltung und das feurige, geistvolle Auge — das Volkstum von anno neun? — Man braucht einem Adler nur in das Auge zu schauen, wenn man die Kraft und Hoheit, den Stolz
und die Würde dieses königlichen Vogels kennen lernen will. Es geht wie ein blitzendes Licht äuS den Augensternen; die goldfarbige Iris flammt im flackernden Feuer kühnen Mutes, den selbst die Gefangenschaft nicht brechen kann. Sehen Sie stch doch einmal, Verehrteste, den gefangenen Adler am Berg Jsel an l Mit welcher Verachtung, mit welch boheitsvollem Stolz im Blicke mißt Sie das edle Tier! AIS wollte es sagen: Macht mit mir, waS Ihr wollt, ich bleibe doch, der ich bin, bis zum Tode! — Stehen nicht auch so die Männer
sie von ihren Bergen wie die jungen Adler zu Tal; so stehen sie dem Feind gegenüber, Aug' kn Aug', und werfen sich ohne Furcht und Zittern mit entblößter Brust in das Toben der Schlacht; so stehen sie vor ihren Henkern wie gefangene Königsadler — und trotzdem in Ketten noch ftei, so frei, daß ihnen nicht einmal das Adlerauge naß wird im Sterben. Wie blitzt das Auge deS Mahrerwirtes vor Baraguay in männlichem Stolze und heiliger Ent rüstung auf. da an ihn die Zumutung gestellt wird, sein Leben durch eine Notlüge
zu erkaufen! Und welche Verachtung flammt aus Hofers Blick auf den Wällen von Mantua, da man ihm da- Ansinnen stellt, stch die Augen verbinden zu lassen! — Sagen Sie selbst: War das nicht ein echtes, rechtes, unver fälschtes Adlergeschlecht? Geier leben bekanntlich wie die Krähen beisammen; der Adler aber liebt die stolze Zurückgezogenheit hoher Felsenschluchtea und waldiger Gebtrgshöhen; in der Wüsteneinsamkeit unzugänglicher BergeSspitzen horstet er wie ein echter Freiherr und zwischen Felsen, Zweigen
uno Stöcken baut er sich — zwar kunstlos, aber dauerhaft — sein festes» solides Nest. Aus Felsen und in der Einsamkeit des Hochwalde« ist seine Heimat, in der er alt wird, ja oft ein hundertjährige- Alter erreicht. Ein stolzer Einsiedler ist er, der keinen Nebenbuhler in seiner Nähe duldet. Ist, Verehrteste, nicht auch hierin der Adler ein getreues Abbild der Männer von anno neun? — Horsteten nicht auch sie auf freien Bergen? In die Einsamkeit der Hochtäler verstreut lugten Ihre Gehöfte