sie niemals die warme, tiefe Mutterliebe für das Kind aufbringen, die sie für ihre anderen Spröß linge hegte. Als Johannes drei Jahre alt war, kurz nach der Geburt des jüngsten Schwesterchens, starb der Vater an einer tückischen Lungenentzündung. Frau Ludmilla tat schier wahnsinnig in ihrem Schmerz, und es dauerte wochenlang, bis ihr Jam. mer in eine stille Traurigkeit überging. Eine Linde, rung ihres Wehs fand sie nur in dem Geschäft, dem fie großen Fleiß zuwandte, so daß es nachgerade besser
ging als zu Lebzeiten des Mannes. Jede Wiederverheiratung lehnte sie rundweg ab, obwohl sich mehrere ansehnliche Werber um die Hand der immer noch schönen Frau bemühten. Einen Mann wie ihren verstorbenen Johann bekomme sie in der ganzen Welt nicht mehr, versicherte sie. Um so inni, ger schloß sie sich an die Kinder an, die jetzt ihr alles waren. Bloß den kleinen Johann schob sie mehr und mehr zur Seite. Sie hatte viel an ihm herum kuriert und -gemodelt, um das Höckerchen auf sei nem Rücken
verschwinden zu machen. Aber das Hök- kerchen wuchs mit dem Knaben und wurde zusehends ein Höcker. Oft kommandierte die Mutter: „Johann, geh gerade! — Mach keinen solchen Buckel! — Kopf in die Höhe! Die Achseln zurück!' Allein das half nichts, der Buckel blieb hart» nackig zwischen den Schultern des Knaben fitzen. Je größere Mühe sich das Kind gab, aufrecht einherzu- schreiten und je mehr es seinen Körper verrenkte, desto offensichtlicher nur trat der Buckel hervor. Darob ärgerte sich Frau Ludmilla und gab
dem Klei nen manch hartes Wort. Weinte der Knabe dann, so schmälte die Frau noch mehr, weil die unregelmäßi- gen Gesichtszüge des Kindes, die beim Weinen noch ausgeprägter erschienen, ihr neuen Ärger verursach, ten. Daß der Knabe manches Anmutige an sich hatte — einen feingeschnittenen Mund, goldblon des, krauses Lockenhaar und namentlich zwei wun-