Innsbruck, 1. Juni 1932 Folge 11. Seit« 5. Siidtirol in der deutschen Pslttik. Mitteilungen aus dem Vermächtnis Strefemanns. Dieser Tage ist im Verlag Ulkstein-Berlin der zweite Band von „Gustav Sttesemanns Vermächtnis' erschienet^. Der Band behandelt die politischen Geschehnisse vom Jänner 1925 bis zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund im Herbst 1926. Jn diese Zettepoche, in der;, Me bekannt, Stre- semann die deutsche Außenpolitik kettete, fallen u. ä. di«, Verhandlungen in Locarno
und bald darauf ein deutsch- italienischer Konflitt wegen Südtirol. Die schlechte Behand lung der Deutschen in Südtirol durch die Italienische Regie rung und die Alarmrufe aus Innsbruck hatten in Deutsch land eine greizte Stimmung gegen Italien geschaffen, die sich so verschärfte, daß der italienische Botschafter in Berlin diplomatische Schritte unternahm. Es kam dann zu dem bekannten Rededuell zwischen Stresemann und 'Mussolini, in dessen Verlauf sich Mussolini tzu der Drohung verstteg
in Anspruch nahmen, dürftet noch 'in Erinnerung sein. Ihnen vorangegangen war eine vertrauliche Vorsprache des italienischen Botschafters in Berlin, Bosdarj, bei Stresemann, die erst jetzt aus den hinterlassenen Aufzeichnungen Strefemanns bekannt wird, Ueber den Inhalt und Verlauf dieser Unterredung machte sich der deutsche Außenminister nachstehende Riederschrist:. „Bosdari kam nach der üblichen Frage, was es Neues gebe und wie wjeit die Regierungsbildung vorgeschritten sei, auf seine aloe Klage zurüch
doch selbst, wie die Entwicklung der Dinge gegangen sei. Wir hätten mit Italien sehr gute Beziehungen gehabt, und er könne sich als Botschafter sicher nicht beklagen über dick Stellung, die er hier in Berlin eingenommen habe. Dis Bedrückungen aber, denen Südtirol ausgesetzt sei, hätten die Einheitsfront der Presse geschaffen, von der er spreche. Ich wolle nicht davon sprechen, daß früher ttalie-, nische Minister der deutschen Bevölkerung in Südtirol die Freiheit der kulturellen Entwicklung zugesagt hätten. Denn Herr Mussolini
Minderheiten gebe doch zu Beschwerden Anlaß, in Rumänien und in anderen Län dern. Aber alles haue auf Italien ein. Bisher sei seine Tätigkeit in Berlin ein schönes Idyll gewesen. Die Stim mung sei aber jetzt beinahe feindselig. Dann sagte er u. a., das italienische Volk sei mit der Politik von Mussolini sehr einverstanden. Es liebe die Unterdrückung und freue sich, daß man darüber nur erne einheitliche Meinung in der Presse habe usw.