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Meraner Zeitung
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Page 2 of 8
Date: 28.05.1879
Physical description: 8
halten kann. Santa schaudert, — nein! nein! eS kann, es darf nicht so kommen! Aber doch malt sie sich daS Schreck lichste aus, AlleS ist möglich, sie kennt die bei den Gegner. Und sie selbst, feige und unthätig, weilt sicher in der Hirtencapanne, sie freut sich des Son- nenfcheinS und der Berge, der Blumen und deS blauen Himmels. Sie lacht wohl auch und scherzt, während auf die Andern der Tod lauert I Warum zögert sie, warum hat sie nicht schon lange gethan, wozu eine mahnende Stimme in ihrem Innern

sie ausrief: geh', versöhne die Mutter, den Bruder, und sei es auf Kosten Deines eigenen Glückes, das Du erkauft hast durch den schweren Fluch. Geh', trete zu ihnen und sprich: Marianna, Marco, ich habe gefehlt, ich kehre heim zu Euch und entsage dem Gat ten, bis ihr ihm und mir verzeiht. — Wie? Ihm entsagen? Niemilk! Ist die andere Stimme denn schon verhallt, jene Stimme, vie so laut zu ihr sprach, als sie am Altare der Klosterkirche! kniend den Segen des Priesters empfing? — Nein, Santa entsagt

nicht! Und wenn tausend» mal das corsische Weib den Gatten dem Bruder opfern konnte, und dafür verherrlicht ward in Lied und Sage, Santa begehrt diesen Ruhm nicht. Sie hat Treue gelobt, und Treue hält sie bis in den Tod. — Aber warum soll sie die Versöhnung nicht erflehen, warum sich nicht der Mutter, dem Bruder zu Füßen werfen, warum ihm nicht das Messer aus dem Gurt ziehen und daS Fucile seiner Hand entreißen? — Weil sie nichts ausrichten wird, weil sie Marco'S Starrsinn kennt, weiß, daß Marianna nicht aufgeben

wird, waL sie sechzig Jahre lang genährt hat, aufgeben in dem Augenblicke, wo 0er langgeschworene Haß offen hervorbrechen darf, wo sie die Rache kühlen kann, die ihr Lebens weg ist! — Santa dachte den ganzen Tag und konnte k.ine Lösung finden. Nur halb hörte sie, was ihre Wirthe zu ihr sagten, mechanisch folgte sie Allem, und ihr Herz nahm an nichts Theil. Das Sehnen nach Marianna und dem Bruder, die Sorge um den Gatten nagten an ihr. Je mehr die Stunden vorrückten, desto ruheloser ward

noch dunkler, die Felsen ungeheuerer erscheinen, eisiz wehte der Nachtwind und kalte Nebel stiegen auS denKlüf» ten empor. Santa achtete nicht darauf, ihr war, als müsse sie trotz Nacht und Dunkel hinabeilen, Paolo suchen, ihn warnen vor den Gefahren, die ihr Auge überall sah. DaS Brausen deS WindeS, sein Pfeifen in den Zweigen der Lär« chenbäume, tief unten in den Abgründen und hoch oben auf den Felsen, war ihr wie geister haftes Rufen. Sie hörte die Stimme ihreS Galten, die ihren Mamen rief, ihr dünkte

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Newspapers & Magazines
Meraner Zeitung
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Page 2 of 8
Date: 21.05.1879
Physical description: 8
ihn derartig mit dea dann öffnete sie den Sack, den er mitgebracht, er enthielt Vorrälhe au Salz und Reis, Haupt» sächlich aber Pulver und Kugeln. Santa barg AlleS sorglich in der Höhle, dann erst setzte sie sich zur Seite Paolo's nieder, aber obwohl sie vor Neugierde brannte, zu hören, wie eS ihm gegangen, wagte sie noch uicht den Müden und Hungrigen zu fragen. Schweigend sah sie ihm zu, nur zuweilen strich ihre Hand ihm das Haar zurecht oder ermunterte ihr Wort ihn zum Essen. ,Du willst wissen, Santa

, wo ich gewesen, was mir begegnet und welche Neuigkeiten ich bringe', sagte er, nachdem er sich gestärkt hatte Sie nickte. „In Deinem und meinem Paese bin ich ge wesen.' „Bei allen Heiligen, Paolo!° rief Santa ent setzt, »wenn Du nicht wieder gekehrt wärest l' »Ich bin zurückgekehrt, Santa, sei ohne Furcht.' »Hätte ich eL geahnt! — Hast Du denn vergessen?' »Ich habe nichts vergessen, ich weiß noch mehr, als Du ahnest', unterbrach er sie. »Ich weiß, was wir zu erwarten habe» und was uns werden wird von Deinem Bruder

, — aber nur von ihm, die ganze Sippe will uichls mit der Sache ge mein haben.' »WaS hast Du von Marco gehört?' forschte Santa. »Ich habe ihn gesehen.' »Gesehen, Paolo!' .Ja.' »So sprich doch, wie sieht er auS? Wie war er? Ist er bekümmert? Liebt er die Schwe ster noch?' rief sie flehend, als er zögerte. »Er ist des Hasses voll gegen Dich und mich, und sinnt auf Rache, Tag und Nacht.' »Ich wußte es, er wird nie vergeben', klagte sie leise. In Paolo'S Auge blitzte es auf, fast zornig war sein Blick, als er sagte: »Ja, Du hast

eö gewußt, wozu die Klage jetzt?' »Ja, ick habe rS gewollt', entgegnete sie schmerzlich. »Neut eS Dich?' »Paolo, waS sprichst Du?' Er schlang den Arm um sie, und sie an sich ziehend, sagte er: »Ich weiß, Du bist mein, Santa, aber laß ab von der Klage um den An dern.' »Er ist mein Bruder.' »Er ist es nicht mehr.' Sie antwortete nicht. Paolo hatte Recht: Maico hat sich losgelöst von ihr, wie sie sich von ihm. sie sind sich fremd geworden — aber wer reißt die Liebe zum Bruder aus dem Herzen der corsifchen

Schwester? DaS Band der Ge schwisterliche ist stärker, alS jedes Andere, stärker selbst, als die Liebe deS WeibeS zum Manne in den corsischen Geschlechtern, jedeS Band kann zerrissen werden, nur dieses Eine nicht. »Sag' mir Paolo', sing Santa nach län gerer Pause wieder an, »wo hast Du Ma:co gesehen? Und die Mutter?' »Ich sah Beide. ES war gestern Abend, sie saßen am Herde, Marianna spann, Marco besserte an seinem Fucile: ich stand am Fenster außen vnd schaute hinein.' »Paolo, Du versprachst

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