Seite 2 „Bozner Nachrichten', den 22. September 1925 Nr. 215 England ist auch mehr abhängig von seinem Außen handel als Deutschland es jen.als war. In der Ungewißheit iuld Verwirrung, die auf den Geldmärkten der Welt und vor allem Deutsch lands in den Jahren nach dem Kriege herrschte, hatte jede Mark nicht über den Abend hinaus ge sicherten Wert. Wer klug war, verbrauchte daher sein Geld bevor der Tag zur Neige ging. So schnell entwerteten sich damals die Noten, daß in diesen Jahren Sparsamkeit
kaufte, mit Millionen zu begleichen, wurde das arbeitende Deutschland gezwungen, haltzumachen. Wohl wurde die Rentenmark erfunden, gestützt auf solide Sicher heiten, auf Grundstücke, Eisenbahnen, Wälder, und diese neue Einheit hat eine ungeahnte ^pstwkeit be wiesen, so daß die finanzielle Lage sich schließlich stabilisierte. Aber der Handel, der auf der schwa chen Grundlage einer gelockerten Währung aufge baut war, brach nun zusammen. Das Volk begann wieder zu sparen. Die Einnahmen sind heute
»eicht große Summen vorstrecken, um Deutschland über die Aera hinwegzuhelfen, die auf die Währungs-trunkenheit folgt, so wären wir Zeugen, eines Zusammenbruches in Mitteleuropa, von dem die Notenbanken der ganzen Welt wider- Halllen würden. Sollte der P ak t, der jetzt Zwischen Deutschland, Frankreich und England beraten' wird, «verwirklicht werden, so wird er dazu beitragen, das Vertrauen wieder herzustellen, und dieses Vertrauen wird es Deutschland ermöglichen, Kredite gegen ver nünftige Zinsen
zu erhalten. Schon stei gen die Preise an der Börse. Der Präsident der Reichsbank beabsichtigt, Amerika einen Besuch abzu statten, um zu untersuchen, .ob Deutschland weitere Kredite erhalten kann. Während der letzten zwei Wochen bewegten lsich die Kurse nach oben und eine Atmosphäre des Optimismus ist geschaffen worden. Eine zweite Tatsache, die auf eine industrielle Wie dergeburt hinweisen könnte, ist die starke Verminde rung der auf der Halde liegenden Kohlen. Zur selben Zeit aber, da ^der westliche
Horizont sich sür Deutschland aufzuklären beginnt, zeigen sich Schwierigkeiten in der Industrie, die den Ausblick verdunkeln. Die Löhne der d e u t f ch e n A r - beiter sind in ihrer Kaufkraft -bedeutend niedri ger als vor dem Kriege. Das trifft in anderen Län dern nicht zu, und der deutsche Arbeiter gewahrt daher zu seinem Schmerz den Kontrast zwischen sei nem Los und dem der Sieger. In dem wahnsinnigen Tanz der Jnßation hat er den Anschluß nicht im rechten Augenblick gefunden, und so blieb -er immer