hat. * Die geänderten sittlichen Anschauungen. Wien, 18. Febr. Nach dem Tode der Besitzerin des Hotels in der Neubadgaffe im 1. Bezirk suchten die Erben unter der Firma „Hotel Wiesner und Hagleitner" um eine neue Konzession an. Die Bezirksver- tretung Innere Stadt sprach sich gegen eine Neuverleihuna aus, weil dieses Hotel nicht dem Fremdenverkehr diene, sondern als Stundenhotel geführt werde. Den gleichen ablehnenden Standpunkt vertrat das Gremium der Hoteliers, das überdies den Lokalbedarf verneinte, da fünf
Hotelkonzessionen im 1. Be zirke mangels der nötigen Gäste außer Betrieb seien. Das magistratische Bezirksamt gab dem Ansuchen also nicht Folge. Der Bürgermeister als Landeshauptmann wies den dagegen er griffenen Rekurs ab, weil die Annahme, daß das Gewerbe zur Förderung der Unsittlichkeit dienen werde, gerechtfertigt fei. Gegen diese Entscheidung wurde die Beschwerde an den Ver mal t u n g s g e r i ch t s h o f eingebracht. Der Beschwerdever- treter wies darauf hin, daß das Hotel schon seit 56 Jahren be stehe
und monatlich 40 Millionen an Fre'mdenzimmerabgabe lei stete, wodurch allein schon der Bedarf als gegeben zu erachten fei. Daß äußer Fremdem auch Liebespaare in dem Hotel ab- steigen, könne nicht als Förderung der Unsittlichkeit angesehen werden. Gerade eine so fortschrittliche Gemeinde wie es die Gemeinde Wien ist, könne nicht die Anschauung vertreten, daß ein Stundenhotel etwas Unsittliches ist. Der Gemeinde Wien fei es wohlbekannt, daß wegen der großen Wohnungsnot Ehe paare. die mangels einer Wohnung
getrennt leben müssen, nur im Hotel zusammenkommen können. Aber auch wenn unver heiratete Paare hineinkommen, könne dies heute, im Zeitalter der vollständigen Gleichstellung der Lebensgefährtin mit der Ehegattin, nichts Unsittliches bedeuten. Die Anschauungen über Unsittlichkeit haben sich eben vollständig geändert. Würde die Gemeinde Wien in den Stundenhotels etwas Unsittliches sehen, so würde sie nicht eine erhöhte Abgabe von denselben einheben. Anderenfalls müßte man ihr zum Vorwurf