Me sollen wir unsere Kinder erziehen? klne Artihelreihe von Charlotte Köhn-Vehrens, Dozentin an der HumboIÖthochfehule Verlagsrecht ira Presseverlag Ludwig Wollbrandt, Berlin. — (2) Jarl es Lieblmgskia-er geben? Wenn man eine Mutter danach fragt, ob sie ein Lieblingskind Habe, dann wird sie ganz selbstverständlich antworten: „Nein, natürlich nicht, einer Mutter sind alle Kinder gleich lieb!" Ihr mütterliches Herz sträubt sich, die Wahrheit Zuzugeben, weil es gut begreift, daß gerade
der Geschlechter auf; man hätte sicher dem einen oder anderen ziemlich fremd gegenübergestan den, wenn wir ihnen im Leben zufällig begegnet wären. Es ist deshalb kein so sehr großes Wunder, wenn wir plötzlich in un serem eigenen Kinde einen fremden, uns oft unverständlichen Menschen entdecken, denn die Vererbung macht es uns nicht so leicht, daß sie einfach nur Aehnlichkeiten mit dem Vater oder ier Mutter aufkommen läßt. Eines unter den Kindern „spricht" ms und unser Herz vielleicht besonders an; es sieht
mit un seren eigenen Augen, fühlt mit dem Pulsschlag unseres Her- Jetts, weiß, wenn wir heiter oder traurig sind. Oder: es gleicht dem Vater, der Mutter, eben dem Men schen, der schon einmal unser ganzes Wesen gefangengenommen bat, vielleicht auch einem der eigenen Eltern, die man beson ders geliebt hat... Ist es da ein Wunder, wenn unser Herz ftttt und heimlich das Wort „Liebling" prägt? „Ich bleibe immer gerecht", sagen solche Eltern, aber sie den ken nicht daran, daß gerade Kinder ein ungeheuer feines
. Aber alles Leben lebt von diesem inneren Widerstreit. Und das Ziel heißt' nicht, das Entgegengesetzte des Natürlichen zu erreichen, sondern dieses Naturhafte in ein höheres Ethos einzuordnen. Sprechen wir zunächst von den Fällen, in denen die heimliche Bevorzugung des Lieblings unbewußt geschieht. Hier hilft nur eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst, ein Sich-selbst- Ueberwinden; denn das Herz der Mutter und die Liebe des Vaters haben gleich groß für alle — über die Natur hinaus — zu sein. Spürten
werden sich bis zur Härte steigern, wenn Mutter oder Vater nicht verstehen, sein Herz rechtzeitig aufzuschließen. Glau ben wir aber nicht, das sei leicht. Liebe ist immer eine schwere Aufgabe, und gerade die Besten unter uns werden in Stunden innerster Verzweiflung spüren, daß dies Exempel unseres Le bens das schwierigste ist und bleibt. Einen Menschen aufzuschlie ßen und ihn so ausgeschlossen zu erhalten, daß er lebendig-aktiv ° ~ ' - *- — ' ! ht, dazu gehört mehr Kraft, ins Leben und zu anderen als st' Schulweisheit