Seite 2. „Tiroler VolksboLe.' Jahrg. XVII. Nachschrift. Der Boten-Mann zweifelt zwar nicht, daß dieser zeitgemäße Aufruf des Bauernbundes im ganzen Lande freudigen Anklang finden wird, das umso mehr, da ja die hoch würdigsten Bischöfe den Wunsch ausdrückten, es möge das ganze Land seiner Liebe und Treue zum göttlichen Bundesherrn durch das Anzünden von Berg- und Talfcuern Ausdruck geben. Wir bitten alle Männer und Jünglinge, sich der allerdings großen Mühe zu unterziehen, damit alle Welt
und Mädchen, die in den Tiroler Bergen wohnen, so findet man immer begeisterten Anklang. „Was die Väter einst gelobt, da der Kriegssturm sie umtobt, das geloben wir aufs neue, Jesu Herz, dir ew'ge Treue.' Ewige Treue, ewig-treue Liebe zum Heiland, dem Erlöser der Menschheit und dem Bundesherrn Tirols, was ist das anders als eifriges „praktisches Christentum', d. h. eifrige Nachfolge Christi in Gesinnung, Wort und Tat: „Wer mit Jesu in Liebe vereint sein will, muß leben und wandeln, wie er gelebt
und gewandelt.' (I. Joh. 2, 6.) Es ist dämm dieses erste Referat auch eine Art Volksgewissenerforschung, ob wir Tiroler die Bundestreue dem Herrn gehalten haben oder nicht angestellt, nicht, um uns zu rühmen ob der vielen Beweise der Liebe und Treue zu Christus, sondem um das Mangelnde zu bessern. wie steht's? „Wie steht es mit dem praktischen Christentum unter den Tirolern im privaten und öffentlichen Leben?' Das ist die erste Frage, die Antwort heischt. Eine Szene aus dem Jahre 1809, die in Paznaun beim
letzten Aufflackern der Tiroler Erhebung spielt, mag die Antwort einleiten. Männer und Weiber, geführt von dem geistlichen Herrn „Stöffele' (Stephan Krismer), fochten in dem engen Tal gegen die Bayern und trieben sie in die Flucht. Da gewahrt ein verwegener Paznauner, wie zwölf fliehende Bayern in einem Heustadel Schutz suchen. Rasch läuft der Tiroler herbei und den Stadel umkreisend, erhebt er ein solch wütendes Geschrei, daß das ganze feindliche Dutzend sich für umzingelt hält, den Mut sinken läßt
und zur Kapitulation und Gewehrübergabe bereit ist, bis sie noch früh genug ihre Täuschung gewahren. So mag es manchem ergehen, der den Tiroler Bruderzwist nur dem Lärm nach kennt, der in tirolischen und außertirolischen Zeitungen gemacht wird. Es wäre eine Täuschung, wollten wir unser Volk — ich habe das ganze deutsche Tiroler Volk vor Augen, vor allem die große Mehrheit desselben, das Bauernvolk — nach diesen Zeitungsberichten beurteilen. Das praktische Christentum und das religiöse Leben unseres Volkes besteht