Fronleichnam. Kulturgeschichtliche Skizze von Ludwig E P st e i n. Das Fronleichnamsfest, das am Donnerstag nach Trinitatis gefeiert wird, ist eins der jüng sten unter den großen kirchlichen Festen der katho lischen Kirche. Sein Name stützt sich auf das altdeutsche Wort fro, frono, d. h. Herr; man hat also unter Fronleichnam ein Fest zu verstehen, das zum Andenken all den „Leichnam des Herrn' (festum corporis Domini) gefeiert wird. Ueber die Entstehung des Festes erzählt man sich folgende
Legende: Im Kloster aus dem Berge Coreillon bei Lüttich lebte eine fromme Nonne namens Juliana. So oft sie betete, sah sie den vollen Mond mit einer kleinen Lücke, so daß er sein volles Licht nicht hatte. Diese Erschei nung fand ihre Erklärung dadurch, daß man den Mond als die Kirche deutete und die Lücke als den Mangel eines Festes zur Einsetzung des heiligen Abendmahles. Die Heilige beschloß nun, auf die Einsetzung eines solchen Festes zu dringen, begegnete aber hartnäckigem Widerstande
, den man namentlich damit begründete, daß die Kirche schon einen Ueberslnß an Feiertagen habe, über dies werde die Einsetzung des Wendmahles auch schon am Gründonnerstag gefeiert. Auch Ju- lianas persönliche Verwendung beim Bischof hatte keinen Erfolg. Da bewirkten die Heiligen Peter, Paul und Servatius, daß die gute Schwester ein neues Gesicht hatte. Als sie einst die Pforte einer Kirche offen fand, ging sie hinein und betete vor dem Kruzifix. Da geriet sie in Ver zückung und sah, wie alle Heiligen und Engel
des Geistes und Reinheit des Herzens wieder gut machen. Klerus und Volk möge in der Fronleichnams zeit auch mit Lust und Liebe zur Kirche eilen und voll Freudigkeit Lobgesänge anstimmen. Da soll der Glaube bekennen, die Hoffnung froh locken, die Liebe jauchzen, die Andacht trium phieren, der Chor jubeln, und alle Gläubigen mögen so von Dank und Begeisterung erfüllt sein bei der Fronleichnamsfeier, daß der Herr sich ihnen zum Lobe schenke.' Seinen Höhepunkt erreichte das Fest in der großartigen Prozession
, den Ezechiel vom Altäre des heiligen Platzes und nach und nach auswärts fließend durch die Tore des Tempels strömen sah, der mit großem Jubel vorwärts strömt und ein frohlockendes Geräusch macht, wie der von großen Wassermassen her- vorgobrachte Laut. Es ist in der Tat die Kirche selbst, welche, nicht zufrieden mit den schwächeren Ausströmen ihrer Segnungen von ihrem Mit telpunkte, vom Heiligenschreine und vom Altäre auszieht, um sie weiter zu verbreiten und den Wohnungen und Niederlassungen ihrer Kinder