414 „Nicht wayr, Mutter,' meinte Flotow leise und wehmütig dabei lächelnd zu seiner Frau, „wenn un ser Junge jetzt noch einmal zu uns treten könn te, er würde uns gewiß nicht böse sein, daß wir an seine Stelle einen andern gesetzt ha ben. Er war ja immer so gut und weichherzig, un ser Junge; er, der im Geist bei uns weilt zu die ler Stunde, ist gewiß einverstanden.' !kt Und die Mutter nickte und betrachtete mit umflorten Augen das Bild ihres Heimge gangenen hinterm Christbaum an der Wand
des Zimmers, von grünen Tannenzweigen und Christrosen umrahmt. Die Schuld. Eine Weihnachtsgeschichte von Robert Scharl. lRachdruck verboteil.) Wohnzimmer beim Schuhmachermeister Hartinger ist ge- rade eine lebhafte Debatte. Frau Hartinger ist nämlich mit der Geschäftsführung ihres Ehegatten nicht zufrieden; selbstver ständlich ist damit nicht die Ausfertigung der diversen Schuhe und Stiesel gemeint, sondern es betrifft die Geldangelegenheiten. Sie findet, daß er nicht mit der nötigen Strenge
gegen die säumigen Zahler vorgeht und daß es jetzt zu den Wechnachtsfeiertagen recht angenehm wäre, wenn etwas mehr Geld ins Haus käme. „Du bist a Lapp,' sagte sie, „wenn dir wer die Stiefel schuldig bleibt und raunzt dir was vor, so gibst ihm womöglich noch zehn Kronen dranf. Bei dir könnten Frau und Kinder verhungern, wenn's wollten.' Die kugelrunde Frau mit dem blühenden Gesicht schaut zwar nicht wie eine Hungerkandidatin aus, und die drei Spröß linge des Hartingerschen Ehepaars hätten jedem Maler als Blas
engel Modell stehen können. Aber trotzdem erlaubte sich der Meister nur mit sehr unsicherer Stimme den Einwurf: „Na, schau Resi, nach'm neuen Jahr werden die Leut' schon zahlen, aber jetzt vor Weihnachten ' „Ja, freilich, dös sieht ma ja beim Herrn Wodizky, ein Jahr is er dir schon die fünfunddreißig Kronen schuldig und net an Heller sieht man; im und der Lehrbua, ös kommt's immer mit leeren Händen z'Haütz.' „Ja weißt, Resi, der Mann hat Unglück gehabt, seine Frau war lang krank, bevor s' g'storben
is; zwei Kinder hat er begraben müssen, und zum Schluß is er brotlos worden, weil dö Firma, für die er agentiert hat, in Konkurs kommen is'.' „Wenn er net zahlen kann, soll er sich keine Stiefel machen lassen', sagt die Frau Resi aufgebracht. „Aber schau', Alte, der kann doch net bloßfüaßig mit dieMuster- kofferl umeinanderrennen', meinte begütigend der Meister. — „Und kurz und gut, i' mach' der Geschicht an End. I' geh selber hin, und daß ich mich not abweisen laß', da kannst Gift drauf nehmen. I' gib