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gesehen. „Mir scheint, Sie haben ganz vergessen, daß ich auch noch da bin, gnädiges Fräulein!' sagte Stockhammer. Spöttisch wollte er es sagen, es kam aber ganz bissig heraus. Dabei setzte er seinen Hut, den er bisher in der Hand getragen hatte, mit Nachdruck auf, so daß er ihn ganz schief aus dem Kopf hatte. Er sah geradezu komisch aus. Das junge Mäd chen hatte Mühe, um nicht in Lachen auszubrechen. Was hatte er denn nur? Der sonst so steife, kor rekte, höfliche Mann war heute gar nicht mehr

zu kennen. „Aber lieber Herr Doktor, ganz im Gegenteil. Ich Hab' Sie schon vermißt!' log Eva drauf los; denn sie dachte an ihre Tante und an den Verdruß, den ihr der Rechnungsrat bereiten konnte. „Heuss sein Sie aber wirklich schlecht aufgelegt. Gerad' Ihr liebenswürdiges gleichmäßiges Wesen hat mir immer so gut gefallen!' sagte das junge Mädchen leise. Der Ingenieur war ein paar Schritte vorausgegangen.

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Fiction

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1935

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wieder die Sonne kam. Und nicht wenig von dieser Sonne brachte die Heimat, die ihr ja geblieben war. Die Tiroler Berg- Heimat mit ihrem Glanz und ihrer Pracht. Das war, als ob die dahingeschiedenen Eltern sie grüßen würden aus der Ewigkeit. Oft und oft sah das Kind hinauf zu dem strahlenden Himmel. Dort droben wohnten ja der Vater und die Mutter. Und sie mußten sie beide sehen, die kleine Eva Marteiner. Das war ganz gewiß, daß sie vom Himmel herunterschauten und sie sahen. Der Herr Katechet hatte es ihr such

gesagt, daß sie das glauben dürfe. Es sei ganz gewiß wahr. Und der hochwürdige Herr mußte das wissen. Da war nicht daran zu zweifeln. Dieser felsenfeste Glaube verband das Kind auf eine ganz eigenartige Weife mit der mächtigen Bergnatur um sie herum. Darum liebte sie schon als kleines Müde! den Balkon bei der Wohnung ihres Onkels mit einer innigen Zärtlichkeit, weil sie da hinaus-

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1935

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gefunden. Aber so mußte die Erscheinung dieses lieben Mädels gerade in seine Einsamkeit hereinplatzen, so daß er ihr ganz ausgeliefert war. Und dann hatte es der Herr Rechnungsrat wohl bemerkt, daß diese Frau Lore auf ihn für ihre Tochter spekulierte. Da sollte sie sich aber geschnitten haben. Die Silvie war nichts für ihn. Ein recht sympathisches, feines und auch gescheites Mädel. Ganz gewiß. Daran wollte er nicht rütteln. Und daß. sie hochmusikalisch war, daran war auch nichts auszusetzen

. Dazu war er also Junggeselle geblieben, um sich jetzt Wer Hals und Kopf zu verlieben und in der ständigen Furcht zu leben, sich als alter Esel einen gehörigen Korb zu holen. Alter Esel... Der Rech nungsrat wehrte sich gegen diese sich selbst zugefügte Beschimpfung dann wieder ganz energisch. Was, alter Esel. Er war ja noch gar nicht so alt. Er war noch in den besten Jahren. Andere hatten auch als Vier ziger eine junge Frau geheiratet und waren gut

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1935

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einen freundlichen Eindruck. „Sie entschuldigen, Fräu lein Eva, daß ich Sie überfallen Hab' ! Aber ich wollte mein Versprechen doch halten. Ich Hab' zufällig die Fräul'n Renate getroffen, und da hat sie mir erzählt, daß Sie sich ganz überraschend von der Herrschaft Ihrer Frau Tante freigemacht haben und nun auf eige nen Füßen stehen. Alles Hab' ich erfahren. Den ganzen Krach. Sehr brav. Alle Achtung. Nur nix g'fallen las sen ?' meinte er anerkennend. „Da Hab' ich mir dann von der Fräul'n Renate

Ihre Adresse geben lassen, und jetzt Hab' ich nachschauen wollen, wie es Ihnen geht und wie Ihnen die Selbständigkeit anschlagt.' „Danke.' Eva hielt verlegen inne. Was sollte sie nur sagen? „Und jetzt Hab' ich Sie hier g'funden.' Er machte eine Kopfbewegung in die Richtung nach der Küche hin und lächelte. Dmch dieses Lächeln, das ihr schon in der Küche so diel zu schaffen gemacht hatte, wurde sie ganz ver wirrt. „Sie müssen nit denken, daß ich... Ich war nämlich noch nie... Es war heut' g'wiß zum erstenmal

... Ich wohn' ja erst ein paar Tage da.' Ganz verlegen schwieg sie; denn Rainweger lachte laut auf. Er nahm ihre Hand und führte sie zum nächsten Stuhl. „So, jetzt setzen wir uns. Was wollten Sie mir sagen?' frug er. Er schaute auf das junge Mädchen. Ein Sonnen strahl, der schräg durch das Fenster hereinfiel, umwob

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1935

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damals ergangen ist. HM doch g'wußt, daß Sie nix dafür können. Ich werd's auch der Eva sagen.' „Nein. Bitte, nein. Lassen sie das!' Das junge Madchen schüttelte den Kopf. „Es soll niemand über Sie lachen, wenn Sie's gar nit ver dienen. Auch die Eva nit!' sagte sie bestimmt und schaute ihn so lieb und fürsorglich an, daß ihm ganz eigen ums Herz wurde. „Was für ein gutes Kind Sie sind. Ich danke Ihnen!' sagte er gerührt und nahm ihre Hand in die «eine. Die Teilnahme dieses unscheinbaren Mädels

tat ihm wohl. So waren sie bis an das Ende der Lauben gekom men und bogen nun, ohne daß Silvie weiter darüber nachdachte, daß. sie auf diesem Wege ja ganz aus Inns brucks Geschäftsviertel kam, wo sie ihre Besorgungen machen wollte, in die stille träumerische Stiftsgasse ein. Es war wie ein Bummel zu zweit. Das Mädchen hatte unwillkürlich das Gefühl, daß sie dem Mann eine Erleichterung war. Sie wollte nicht hindern, daß er sich ihr gegenüber aussprach. Und in der Gasse, die kaum hie

und da ein Mensch passierte, konnte man doch eigentlich besser miteinander reden. - Der Rechnungsrat hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und ging ganz langsam seines Weges, nur Schritt für Schritt, als ob er recht geizen wollte, um noch länger mit diesem schüchternen Mädel an seiner Seite beisammen zu sein. „Es hat mir eigentlich recht weh getan von der

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1935

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und Versteckten Anfragen gegenüber wußte Josefa hart näckig Zu schweigen. Als Kni Roiter herangewachsen war, hatte es ihr keineswegs an Verehrern gefehlt. Das zierliche braune Mädel mit den lachenden Augen und dem lockenden roten Mund hatte es den Burschen angetan. Ganz allein durchstreifte es die Wälder, stieg die Berge hinan, hastig und leichtfüßig wie eine Gemse. Dann konnte man es wieder stundenlang auf einer Anhöhe sitzen sehen, die Arme um die Knie geschlungen und den Blick unverwandt

in die Ferne gerichtet. In solchen Stunden hatte schon öfters ein Bursch versucht, sich Fini Zu nähern. Sie ließ sich mit ihm ganz gern in ein lustiges Gespräch ein; wenn er aber zudringlich wurde, wies sie ihn zurück. Lachte ihn aus, höhnte ihn, und wenn der abgeblitzte Verehrer zornig wurde und sie mit Gewalt in die Arme nehmen wollte, dann entwand sie sich ihm, geschmeidig wie eine Ei dechse, und sprang so flink den Berg hinunter, als ob ihre Füße den Boden gar nicht berühren würden. Dem fluchenden

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1935

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Das geräumige Zimmer war altväterlich einge richtet. Zwei große Tische waren vollständig mit Schriften, Plänen und Landkarten bedeckt. Ernst Rain- weger Zeichnete und berechnete, konnte aber infolge der drückenden Hitze nicht recht vorwärts kommen. Schließlich saß er müde über den Papieren und spielte gedankenlos mit dem Bleistift, bis er ganz eingenickt war. Längere Zeit schlief er wie betäubt. Bis ein kühlerer Luftzug durch das offene Fenster spürbar wurde und ihn aufweckte. Er sprang empor

und beugte sich aus dem Fenster. Ein leichter Ostwind hatte sich erhoben und brachte Frische nach der brütenden Hitze des Tages. Nun litt es den jungen Mann nicht mehr daheim. Er eilte die Stiegen hinunter, so rasch es das dort herrschende Halbdunkel erlaubte, und hatte bald den Inn erreicht, an dessen Ufer entlang er bis zur Rattenberger Jnnbrücke schritt. Mitten auf der Brücke blieb er stehen, den Blick stromaufwärts gerichtet. Die Schau auf das Jnntal war von der Rattenberger Brücke aus ganz besonders

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1935

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er energisch. „Ich kann jetzt nix essen und trinken!' weigerte sich das junge Mädchen. „Folgen tust, sag' i dir. Wir haben noch an guten Schinken da und a Glasel Wein dazu. Du wirst ja sonst ganz schwach vor lauter Aufregung.' „Der Bater hat ganz recht!' sagte Renate, machte

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1935

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ihm jetzt was vorhäkelt oder vorstrickt, das ist doch ganz Wurscht.' „Halt nur dein' Schnabel, sag' i dir. Was verstehst denn du?' herrschte Frau Lore ihren Mann an. „An statt daß du mir hilfst, bist du wieder amal so begrisf- stützig wie nur möglich. Der Doktor Stockhammer hat neulich ausdrücklich g'sagt, er wünscht eine Frau mit Borkriegscharakter.' Emil Martemer schüttelte seinen kugelrunden Kopf. Dann schob er die Zeitung, die er in beiden Händen gehalten hatte, vor sich auf den Tisch

. „Na ja. Aber a Handarbeit hat doch mit'm Charakter nix zu tun.' Er konnte nur mühsam das Lachen unterdrücken. Seine Frau hatte doch wirklich sonderbare Ideen. Dann fuhr er fort: „Die Eva ist a modernes Mädel. Ist eben ein Kind ihrer Zeit. Deswegen ist sie nit weniger brav und tüchtig. Kein Mann ist ang'führt mit ihr. Gleich tat'ich sie heiraten, wenn ich könnt' ?' schloß er lachend seine Rede. „Emil!' Entsetzt schaute sie auf ihren Mann. „Bist ganz überg'schnappt?' „Naa. I bin völlig bei Vernunft. Aber du ver stehst

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1935

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ihres Onkels fluchtartig verlassen hatte, ganz zufällig am Saggen begegnet. Sie wollte gerade, von ihrer Klavierstunde kommend, nach Hause gehen. Stockhammer schloß, sich ihr an. Bon da ab trafen sie sich ziemlich regelmäßig. Der Rechnungsrat wußte bald ganz genau, wann Silvie dort ihre Stunden gab. Und er wartete dann, auf- und abgehend, bis sie kam. Meist machten sie noch einen kleinen Bummel mitsammen. Bei schlechtem Wet-

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1935

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lich war der Blick auf die Stadt und die tiefverschnei- tm Berge ringsum. Noch einmal wollte sie die Schön heit ihrer Heimat ganz in sich aufnehmen, bevor sie die Stadt verlassen würde. Als Eva zum Mittagessen das Speisezimmer der Familie Schöpf betrat, war sie völlig vettvandelt. Die Wangen von der Winterlust gerötet, sah sie so ftisch und gesund wie in ihren besten Zeiten aus. Unter Lachen und Scherzen verging die Mahlzeit. Eva machte sich zum Schluß über sich selbst lustig, daß sie so ver

zweifelt und hoffnungslos hatte sein können. Freilich hier im Hause Schöps, wo sie sich zum gedeckten Tisch setzen konnte, war das ganz anders, als in ihrem ein samen Zimmert. Am Rachmittag war Eva dann in die Wandels-- bergerstraße gegangen, um einzupacken. Zuerst suchte sie Frau Höllriegel in der Küche aus, die sie allein antraf. Sie erzählte ihr, daß. sie nun wieder eine Stelle habe und nur gekommen sei, um ihre Sachen zu pà ken. Eva dankte ihr für alle Freundlichkeit und Hilse

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1935

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werden ließe? Er malte sich das ganz genau aus. Die Borstellung von dem Entsetzen Frau Lores erheiterte ihn so, daß er beinahe laut aufgelacht hätte. Und dann mußte er sich plötzlich auf die Lippen beißen - denn er ertappte sich bei dem frevelhaften Ver such, die entsetzlichen Worte flüsternd von sich zu geben. Aber fidel war es doch. So eine innere Heiterkeit. Goldes wert. Ja, wenn seine gestrenge Gesponsin das alles gewußt hätte, was er sich oft dachte. Alle heiligen Nothelfer! Die hätte ihn angeblasen

. Da wäre der Südwind noch ein ganz zahmes mildes Mailüfterl dagegen gewesen. Doktor Stockhammer dachte an die Nackenlinie Evas, das kurze blonde Haargeringel und die schön geform ten Arme, die das lichte Sommerkleid frei ließ. Er hatte ihr bewundernd nachgesehen, während sie hin ausging. Dann aber kam ihm die Gesprächspause zum Bewußtsein. Das ging doch nicht. Er durste sich

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Year:

1935

Page 292 of 308

. Wenn Sie das einmal richtig loshaben, dann geht es schon leichter!' rief ihr das junge Mädchen noch zu, bevor sie sich entfernte. Weiter abseits zeigte sie ihren Schülern Abfahrts stellung, Sicherheitsübungen, später Schneepflug und Stemmen. Das war nun ganz lustig. Denn die vier waren geschickt. Besonders der Herr Hillmer. Der war gewiß kein Anfänger, sondern schon sehr fortge schritten. Sie hatte ihn im Verdacht, daß er sich ins geheim über sie lustig machte. Es zuckte manchmal so verdächtig um seinen Mund

, wenn sie irgend etwas er klärte. Wer mochte er sein? Und warum ließ er sich von ihr sogenannten Unterricht geben? Bei dieser Sicherheit brauchte der doch längst keine Übungswiese mehr. Herr Meier war wohl der eifrigste. Immer wieder fragte er seine hübsche Lehrerin bald dieses bald jenes und verhehlte auch nicht, daß sie ihm sehr gut gefiel.. Über ihren anderen Pflichten hatte Eva ganz auf MD

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Year:

1935

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„Da liest man in den Büchern oft, wie Mädeln jede Schwierigkeit meistern, aus jeder Verlegenheit an Aus weg wissen, zu Ansehen, Geld und Zukunft kommen. Das liest sich schön. Und scheint gar nit schwer zu sein. Aber die Wirklichkeit ist halt doch was ganz anderes. Wenn man selber drinsteckt... nimmer außerkommt... wenn man noch so zSH und tapfer ist und 's geht doch nit...' Renate streichelte sanft über das Haar ihrer Freun din. „M wird auch bei dir Wied« gehen!' „Ich weiß nit!' meinte Eva

traurig. „Wenn heut' der Stockhamm« mich wieder haben wollt', wer weiß, ob ich nit Ja sagen tat'. Rur um nimmer kämpfen zu müssen.' „Das redst ja nur so daher, Everl. Der Stock- Hammer ist nit mehr zu haben. Da hgtt'st schon ftüher zugreifen nMssenl' scherzte Renate. „Muht dir halt an andern suchen.' „Den HLtt' ich ja schon.' „Geh'! Wen denn?' „Den Vinzenz Höllriegel. Der möcht' mich hei raten.' „Bist verrückt. Ma?' „Raa. Rit verrücli. Ganz heruntergekommen bin ich. Hoffnung Hab' ich ihm lassen

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1935

Page 33 of 308

„Silvie und ich werden uns über Ihre Gesellschaft freuen!' brachte das junge Mädchen mit erzwungener Freundlichkeit mühsam hervor und warf einen bittenden Blick aus ihre Base. Silvie muß mit, dachte sie. Nur nicht mit dem Menschen ganz allein gehen müssen. „Silvie? Wie kommst du auf Silvie?' frug Frau Lore drohend. Und ehe Eva antworten konnte, lachte Silvie leise auf. „Du verwechselst mich mit der Schöpf Renate. Mit der hast du dich doch verabredet, den Ausflug zu machen. Hast denn das ganz

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1935

Page 30 of 308

Doktor Othmar Stockhammer war meistens ein ganz guter Gesellschafter. Er war ein hochgewachsener, fast hagerer Mann, Mitte der Vierziger, von sympathi schem Äußern und mit guten Manieren. Sein langes, schmales Gesicht war glatt rasiert, und die graublon den Haare trug er kurzgeschnitten. Sie standen ihm wie eine Bürste in die Höhe. Seine dunkelblauen Augen hatten etwas Scharfes und Forschendes. Der Mund war auffallend zart und fast mädchenhaft ge formt. Wenn Doktor Stockhammer lächelte, zeigte

er eine Reihe kräftiger, gesunder Zähne. Seine Haltung war steif. Er suchte sich offenbar den Anschein einer ganz besonderen Korrektheit zu geben. Dabei hatte er die Gewohnheit, seinen ohnedies etwas zu langen Hals noch mehr zu strecken, indem er das Kinn hochhob. Auch beim Sitzen befleißigte sich der Herr Rechnungs rat einer aufrechten und steifen Haltung. Emil Marteiner schaute mit einem heimlichen Un behagen aus den Besuch, der steif dasaß und ihn da durch zwang, gleichfalls aufrecht zu sitzen

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1935

Page 301 of 308

„Warten Sie hier aus mich!' sagte Hillmer zu Eva, bevor er ins Gasthaus ging, um Frau Grete auf ihr Zimmer bringen zu helfen. Wenige Minuten später war er wieder zurück. „Wie geht es ihr?' frug das junge Mädchen ängstlich. „Machen Sie sich nur keine Sorgen, Fräulein Mar- teiner. Da fehlt nicht viel. Ich habe den Eindruck, daß die Frau übertreibt!' beruhigte sie Hillmer. „Aber ich werd' hinausfliegen. Dafür sorgt jetzt Frau Grete ganz bestimmt!' meinte Eva. „Nur nicht ängstigen

. Sie können doch nichts dafür, wenn das lästige Frauenzimmer so ungeschickt fällt. Ich werde jetzt gleich der Wirtin den Borfall berichten, noch bevor Frau Meier Sie anklagen kann. Sie kann niemand dafür verantwortlich machen.' „Wenn Sie es sagen...' „Ja. Ich... Und nun entfernen Sie sich aus der Nähe des Hauses, bis der Sturm vorübergebraust ist. Fahren Sie hinüber zum Hang und warten Sie dort auf mich. Auf Wiedersehen, Fräulein Marteiner.' Und Eva wartete. Langsam glitt sie dahin, nun ganz allein. Sie entfernte

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1935

Page 236 of 308

Wintersonne vergoldet, die wohl leuchteten, aber nicht mehr recht wärmten. Silvie hatte wiederholt versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen. Doch vermochte sie heute den Rech nungsrat durch kein Thema richtig zu fesseln. Sie machte sich schon Gedanken darüber und erforschte sich, ob sie ihn wohl irgendwie gekränkt haben könnte. Othmar Stockhammer war innerlich verzweifelt. Er hatte sich daheim ganz genau überlegt gehabt, was er Silvie sagen würde. Und nun, da er mit dem Mäd chen endlich allein

war, siel ihm nichts mehr von all dem ein. Die Silvie hatte ihn ganz aus dem Konzept gebracht mit ihren Fragen Wer belanglose Dinge. Er Zermarterte sich den Kopf, wie beiläufig der Wortlaut seiner so schön ausgedachten Werbung gewesen war. Da Silvie immer wieder auf ihn einsprach, weil sie sich sein Schweigen und seine Einsilbigkeit nicht zu erklären vermochte, konnte er seine Gedanken nicht ruhig ordnen und den verlorenen Faden wiederfinden. So ging das jedenfalls nicht. Er würde eben seine Werbung

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1935

Page 97 of 308

Daß er bei dem jungen Mädel, dem er nur mühsam folgen konnte, kein Mitleid finden würde, wußte er genau. Also schwieg er lieber. Auf einer Bank beim Bahnhof sah er schon von weitem Eva sitzen. Er versuchte es, sich krampfhaft eine stramme Haltung zu geben, und schritt auf sie zu. Sie erhob sich und kam ihm entgegen. „Gottlob, daß Sie da sind!' sagte sie. „Lösen Sie nur rasch die Karten. Der Zug muß gleich einfahren/' Sie hatte ganz recht gehabt. Es verging kaum eine Minute, als der Personenzug

nach Innsbruck, der nur ganz kurzen Aufenthalt hatte, da war. „Sie haben wohl recht angenehme Gesellschaft ge habt?' frug der Rechnungsrat Eva, als sie in dem halbleeren Abteil Platz genommen hatten. „Es hat mir sehr leid getan, daß wir so eilen mußten, weil der Herr Ingenieur den Zug nach Rattenberg erreichen wollte. Ich war schon in Sorge um Sie, weil Sie solange ausgeblieben sind.' „Wirklich in Sorge?' frug Othmar Stockhammer. Der warme Ton, in dem das Mädel es gesagt hatte, tat ihm ordentlich wohl

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Year:

1935

Page 54 of 308

könnte. Blitzschnell war er in das Mädel verschossen. Schon bei der ersten Begegnung, als er die beiden Damen auf ihrem Spaziergang begleitet hatte. Die Eva war so ganz anders als die Mädeln, die er bisher kennengelernt hatte. Es war nicht mur das reizvolle Äußere, es war das ganze Wesen, das ihn im Augenblick fesselte. Er hatte das Gefühl, daß er von diesem Mädel nicht mehr loskommen würde. Wenn sie ihm für das ganze Leben gehörte, dann wäre er nie mehr allein, hätte daheim sein junges Weib

, hätte sein Behagen und einen Menschen, für den er lebte und arbeitete. Dann sagte er sich in Zeiten ruhiger Überlegung selbst ganz trocken, daß er ja eigentlich für das Mädel schon zu alt sei und nahezu sicher den schönsten Korb bekommen würde, wenn er ihr eine Erklärung machte. Und wieder suchte er sich zu beruhigen, daß es mit seinem Alter doch noch nicht gar so arg sei. Solche Partien würden ja oft gemacht und führten zu den glücklichsten Ehen. Zweifel und Kamps waren in Doktor Othmar Stock

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Year:

1935

Page 199 of 308