6 'Wi K „Vozner Nachrichten', Eamstag, 22. Oktober 1916 Nr. L41 „Lergib^uns unsere Schuw!' Roman von A. Tuhten^ (29. Fortsetzung.) Als ich den saalartigen Gastraum betrat, fand ich den selben von einer Zuschauerzahl und einem Trupp darstellen der Zigeuner besetzt. Eben als ich eintrat, begannen die Musiker einen wilden Tanz zu spielen und in den freien Kreis vor den Zuschauern trat ein Mädchen in ungarischem Nationalkostüm, jung, schön, dunkeläugig, das glänzend schwarze Haar in schweren Zöpfen
von Freienwalde schwieg erschöpft. „Armer Mann!' murmelte der Professor. „Armer, be dauernswerter Mann! Und doch, eine andere hat noch mehr gelitten als Sie, denn ihr Herz war erswrrt, sie-empfand keine Liebe mehr, weder für den Gatten, der ihr doch alles zuliebe tat, was er ihr nur an den Augen absehen konnte, noch für das Töchterchen, das sie vom Anbeginn ihres Le bens kannte, das sich unter ihren Augen zur herrlichen Jung frau entwiMte, das sich nach einem Mutterherzen sehnte und doch bei ihr keines fand
ihn nicht und Lucie Ft keine Natur, die ihre HMnd ohne ihr Herz ver schenkt. Ich fürchte, das Herz hat sie schon lange verloren und kann es nun keinem anderen mehr geben!' „Sie fürchten das, Herr Professor?' fragte Freienwalde. „Ulid warum?' . ! i „Weil ich es dann vielleicht selbst gewagt hätte, dieses- entzückende Mädchen zu bitten, mir als Gattin mein ein-' sames Heim zu schmücken,' entgegnete der Professor. „Aber- ich hatte eben vergessen, daß ich inzwischen^ alt geworden bin, wenn mein Herz auch jung
