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Alpenrosen
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Page 4 of 4
Date: 12.08.1916
Physical description: 4
132 „Rege dich nicht äuf, liebes Kind, wenn ich dir sage sie stiehlt, so stiehlt sie! Vielleicht hast du sie einen Augenblick allein gelassen!. Frauen sind raffiniert, und Frau Stefan — na, daß mit der etwas nicht stimmt, habe ich ihr schon lange angesehen!" Das Gesicht meiner Frau wurde immer er staunter. „Nun, sag' mir bloß, wie du auf solche Gedanken kommst!" rief sie. Ich zog wortlos die Schublade der Kom mode auf und zeigte ihr die leere Kassette. „Ta, sieh," sagte ich. „Na?" fragte

sie verwundert. „Ich hatte hier mein Geld liegen!" er widerte ich mrd blickte sie fest an. „So, die paar Groschen gehörten dir? Ich habe.sie heute mit meinem.Wirtschafts geld verbraucht!" sagte sie seelenruhig.. Ich war wie vom Donner gerührt und machte offenbar ein meiner Niedergeschlagen heit entsprechendes Gesicht. „Das durfte ich doch?" fragte meine Frau pikiert. „Schließlich, so oder so, bezahlen Mußt du es doch!" Langsam erholte ich mich und warf schüch tern die .Frage auf, wie man denn aber sparen

solle, wenn einem das sauer erüb rigte Geld von anderer Seite weggenommen werde. Ich erzählte, auf welche Weise ich meine Ersparnisse machte und schlug ihr vor. auf ähnliche .Art zu sparen, indem sie möglichst knauserig mit dem Wirtschaftsgelde Umginge. Meine Frau behauptete steif und fest, so lange sie dies teure Kästchen sehe, Ärgere sie sich und könne es nicht über sich gewinnen, dort ihre Ersparnisse anzulegen. Nun sah ich ein, daß. ein Spartopf un endlich sicherer sei, als eine verschließbare

Kassette, da man seine Ersparnisse nicht an ders zurückerhielt, als durch Zerbrechen des Topfes, ein Experiment, das man sich reif lich überlegt. Nochmals also ging ich in den Basar und erstand für wenige Groschen einen Spartopf mit dem Gesicht eines Re kruten, der im Begriff ist, das Pulver zu erfinden. Meine Frau fand ihn entzückend, den Re kruten nämlich, und opferte gleich einen Zehner ihres Haushaltsgeldes, auch ich steckte einen Groschen in die durch einen Schlitz gespaltene Mütze des „Franzl

", wie wir da^ ausdrucksvolle Töpfchen nannten. Um nun das Sparen gleich intensiver zu betreiben, machte meine Frau den Vor schlag, wir wollten jeder Tag für Tag des Morgens unseren Zehner in den Franzl stecken ,dann fei gar bald ein Haufen Geld beisammen und sie könne ihren Frühlings hut um so früher erhalten. Ter Frühlingshut war nun zwar nicht nach meinem Sinn, aber ich wollte nicht streiten. War nur erst die Kasse voll, so fand sich am Ende, was man mit der Summe Anfängen würde. Tie Tage vergingen. Wir steckten

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Alpenrosen
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Page 1 of 4
Date: 20.02.1915
Physical description: 4
, so tief in den Sümpfen der Urwelt versunken, daß sie es nicht merkten, mie die Septembersonne warme lockende Strahlen in das Zimmer hereinsandte und der Duft blühender Reseden durch die geöff- ueteu Fenster drang. Ein Plauderlüstchen, tvie es bisweilen auch die größten Geister befällt, hatte den Pro fessor veranlaßt, seiner Wirtin, Frau Gie- fecke, von seiner Beschäftigung zu sprechen und dabei auch seiner Mitarbeiterin zu er mähnen. Daraufhin tat Frau Giesecke die ihrer ganz gewöhnlichen Denkungsart

ent sprechende Aenßerung: „Na, na, Herr Pro fessor, wenn das nur nicht gefährlich wird —" Natürlich begriff er nicht sofort -und sah sie einen Moment verständnislos an. Dann aber sagte er mit mildem Lächeln und einem Miiz leichten Seufzer: ..lieber die Jahre sind tvir hinaus, meine gute Frau Giesecke." „Ach so," meinte Frau Giesecke harmlos, „das Fräulein Wiprecht ist wohl schon eine alte Jungfer?" „Fräulein Wiprecht," erklärte der Profes sor diesinal in fast empörten Tone, „ist ein tveibliches

ans Ihre Kaffee kanne acht." Er deutete ans das dickbäu chige Objekt, welches Frau Giesecke in be greiflichem Erstaunen über des Professors merkwürdige Rede unachtsam schief hielt, so daß ein kleiner brauner Bach ans den Fuß boden zu fließen begann. „Man muß sich mit diesen Leuten nicht einlassen," murmelte der Professor, nach dem Frau Giesecke das Zimmer verlassen. „Alte Jungfer —." Aergerlich tauchte er seine Feder anstatt in das Tintenfaß in die frischgefüllte Kaffeetasse. Es war aber schön

an einem der nächsten Tage, als sich der Professor abermals in eine intimere Unterhaltung mit Frau Gie secke einließ. „Ich fühle mich nicht wohl, Frau Giesecke, schon seit einigen Tagen, — es sitzt int Magen, es sitzt im Kopf, — ich weiß nicht, was das ist, — keinen Appe tit, keine Arbeitslust —" „Schwitzen Sie mal, Herr Professor." „Nicht für Geld —," sagte der Professor entsetzt. „Na, wenn's aber doch eine Erkältung ist." „Glaub' ich nicht'." . „Gestern ivar starker Wind, und Sie sind ohne Ueberzieher ausgegangen

, in Ihrem Alter muß man vorsichtig sein, Herr Pro fessor." „In meinenr Alter?" Er richtete sich beleidigt zu seiner ganzen Größe auf. „Was fällt Ihnen eigentlich ein? Ich bin kaum fünfzig — neunen Sie das alt?" „Bewahre, Herr Professor, bewahre," ver sicherte Frau Giesecke eifrig, „Sie sind noch ein junger Mann. Ich meinte ja nur. Sie sind kein Zwanziger mehr, nicht wahr? — Wissen Sie was," lenkte sie schnell ab. ein unwilliges Stirnrunzeln bemerkend, „ver suchen Sie's mal' mit Baldriantropfen, die helfen

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Alpenrosen
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Page 2 of 4
Date: 30.01.1915
Physical description: 4
18 Deutscher Landsturm in Lüttich: Ein Unterosfiziersposten im Garten der Kreuzschwestern in Lüttich, wo sie einen unter dem Garten sich hinziehenden Eisenbahntunnel schützen. Um den. Abend in Ihrer Gesellschaft zu ver bringen." Tunby warf seiner Frau einen viel sagenden Blich zu, diese beachtete ihn jedoch Mer — — — es ging nicht so weiter. Auch die unangenehmsten Charaktere haben manchmal Augenblicke, wo sie sich halbwegs erträglich zeigen und sogar zeitweise un erwartete Liebenswürdigkeit

Zimmern mündete, die der alten Dame alle zur Verfügung standen und an denen auch die verwöhnteste Frau nichts aus- znsetzen imstande gewesen wäre. Ferner hatte ein kleines Mahl, welches ihr in ihren: Salon aufgetragen worden war und das einer Hoftafel würdig gewesen, mächtig da zu beigetragen, Frau Seeforths erregte Nerven zu beruhigen und versöhnende Ge fühle in ihr auftauchen zu lassen. Groß war also das Erstaunen Rolf Tun- bys, als er beim Frühstück Tante Berta im eifrigen, heiteren Gespräch

mit seiner Frau vertieft sah und ihr lautes Lachen zu ihm herüberklang. Tante Berta war in guter Laune! sie sprach! sie lachte sogar und ge stattete jemanden: anderen, die Kosten des Gespräches zu führen! Unerhört! Unglaub lich ! Er hatte Tante Berta sein ganzes Leben gekannt, aber ein ähnlicher Anblick ward ihm noch niemals geboten worden. „Nellh, ich gratuliere dir zu deinem Er folg; du wirkst einfach Wunder," sagte ihr Gatte, nachdem Frau Seeforth sich in ihre Gemächer zurückgezogen

hatte. „Daß du mich gleich beim erstenmal, als ich dich sah, bezaubert hast, will ich als selbstverständ lich gelten lassen, aber daß es dir mit Tante Berta auch gelungen ist, geht einfach über meine Begriffsfähigkeit. Ich hätte es nie und nimmer für möglich gehalten, und wünschte nur, meine sämtliche Familie wäre hier, um Zeuge dieses Wunders zu sein." „Ich begreife gar nicht, Rolf, daß du so viel Aufsehens darüber machst," meinte Frau Tunby mit einem Gefühl stolzen Selbst bewußtseins. „Tie Sache ist ja ganz ein fach

. Deine Tante ist eine sehr angenehme und liebenswürdige, ja überaus geistreiche Frau, die man nur zu behandeln verstehen muß." „Darum ist eben dein Triumph um so größer, mein Schatz, denn von uns allen — und meine Familie ist sehr zahlreich — bist du die einzige, welche dieses schätzens werte Verständnis besitzest. Dennoch muß ich hinzufügen, daß ich von ganzem Herzen wünsche, du erlebest mit der Zeit keine Nieder lage; langjährige Erfahrung hat mich näm lich gelehrt, daß Tante Bertas Stimmun gen

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Alpenrosen
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Page 2 of 4
Date: 06.02.1915
Physical description: 4
22 geben, allein merkwürdigerweise hatte dieses Verfahren, welches sonst ihre. Opfer stets erschauern ließ, heute nicht denselben Effekt. Im Gegenteil, jeder ihrer giftigen Pfeile Die Engländer in ihren neuen Ziegen felljacken. wurde mit der größten Gelassenheit hinge nommen und mit derselben Münze zurück- bezahlt. Als man sich endlich vom Tische erhob und die Damen in den Salon zurückkehrten, indes die Herren sich ins Rauchzimmer be gaben, trat Frau Seeforth an ihre Nichte heran

. „Ich bin entrüstet über Euer Benehmen," brach, sie mühsam hervor, „wie könnt Ihr cs wagen, mich auf solche unerhörte Weise zu behandeln und mich zur Zielscheibe Eures Spottes zu machen?! Ich werde ein der artiges Betragen nicht länger dulden." „Aber Tantchen," warf die junge Frau mit wohlerkünstelter Ueberraschung ein, „ich begreife gar nicht den Grund deines Bor gers. Was haben wir denn so Böses be gangen? Warst du es denn nicht selbst, die uns heute erklärte, es gehe nichts über die Aufrichtigkeit und es sähe

, daß ich mich mit dem Gedanken herumtrage, dieses .Haus, in dein man es nicht versteht, mir die gebührende Ehrfurcht entgegenzubringen, morgen zu verlassen." Ohne eine Antwort abzuwarten, segelte Frau Seeforth würdevoll aus dem Zimmer und stieg mit geballten Fäusten die Treppe empor, die in ihre Gemächer führte. * * * Tante Berta war noch nie so außer sich vor Zorn gewesen wie heute. Der Aerger, den sie sonst an den Tag legte, war meistens erkünstelt, umsomehr, als dieser vollständig genügte, ihren Mitmenschen Schrecken

lagen: sie hatte sich auf ein Zusammensein mit ihm gefreut. Und seine kleine Frau besaß auch einen Reiz, den sie trotz ihrer Vorurteile nicht leugnen konnte; ja, wollte sie auch jetzt wie sonst der Wahrheit huldigen, so mußte sie beken nen, daß Nelly es an Aufmerksamkeiten und Ehrfurcht nicht hatte mangeln lassen so lange nun, so lange sie sich selbst liebens würdig erwiesen. Nun aber sollte sie heraus aus diesem warmen, gemütlichen Heim wegen — wegen eigenen Verschuldens! . . . In diesem Augenblick

geschah etwas, was wohl seit einem halben Jahrhundert nicht vorgefallen war. Zwei schwere Tränen stah len sich plötzlich aus den jetzt so wehmütig dreinblickenden Augen der alten Frau und rollten langsam über ihre mageren Wangen. Ein Gefühl der Einsamkeit überkam sie mit ungeahnter Gewalt und entlockte ihrer Brust einen tiefen, schmerzlichen Seufzer. * * * Als Rolf Tunby mit den übrigen Herren wieder den Salon betrat, suchte er unver züglich seine Frau auf. „Ich fürchte, wir haben es etwas zu arg

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Page 4 of 4
Date: 27.03.1915
Physical description: 4
52 heiß vor einem Bauernhause halten und er trug seinen Findling höchsteigenhändig za der Bäuerin. !Tie Ungarin verstand den Oberösterreicher zwar nicht, aber die bettelnde Sprache des Kindes war ihr nicht fremd. Geschäftig holte sie warme Milch unb flößte sie ihm ein, dann bettete sie es frisch. Nun war es zufrieden gestellt und schlummerte sofort selig ein. Mit feuchten Augen gab es die gut mütige Frau seinem eigenartigen Beschützer zurück. Ein Mädchen war's! Und so ein hübsches Dingelchen

jener auf seinen Knien. Es hatte sich auch schon längst an sie gewöhnt, fröhlich krähend zauste es mit den ungelenken Fingerchen die verwilderten Bärte. Allen voran jedoch behauptete Feldwebel Meschlinger sein Eigentumsrecht an dem Kinde. „Was willst du eigentlich damit ansangen, Weschlinger?" forschte hie und da einer der Kameraden. - „Ich bringe es meiner Frau." „Als Kriegsbeute wohl?" lachte ein an derer, „wird sie damit einverstanden sein?" Der Unteroffizier antwortete nicht. Er stellte sich an das Fenster

, an der Himmelspforte erwarten wird, um uns jubelnd in die ewige Herr lichkeit zu geleiten." So schrieb seine Frau. Mit liebevollen Worten suchte sie den Mann zu trösten, von dem sie wußte, daß ihm eine teuere Hoff nung zerstört worden war. Und doch trug die Arme selbst schwer an dem Verlust, das bewies die stellenweise fast unleserliche Schrift. Sie konnte nur von heißen Tränen so ver wischt worden sein. Nachdenklich, die Zähne fest aufeinander pressend, schob Weschlinger die Briese wie der in die Tasche zurück

. Seltsam, daß ihm gerade au dem Tage, da er sie erhalten, das Serbenkind hatte aufstoßen müssen. — Es war ein höchst unfreundlicher Herbst abend, als Feldwebel Weschlinger an die Türe seiner Frau klopfte. Der Regen strömte nur so nieder und Frau Käthe, die von dem Eintreffen des Gatten nicht unterrichtet wor den war, stieß einen Schrei aus, als sie ihn so unvermutet vor sich stehen sah und noch dazu unter seinem Mantel ein leise wim merndes Bündel entdeckte. Beinahe hätte sie vergessen

, nach seiner Verwundung zu fragen. „Um Himmelswillen, Mann, was bringst du da?" „Ein Kind, Käthe, ein von seinen Eltern und allen verlassenes Kind. Meine Kriegs beute, weißt du," setzte er mit einem hal ben Lächeln hinzu. Frau Käthe war zwar eine kleine, sehr schwächlich gebaute Frau, aber sie hatte ein tapferes Herz. Sie srug nicht weiter, son dern reichte dem Verwundeten trockene Klei dung und kochte ihm rasch einen wärmenden Tee. Das Kind fütterte sie mit Milch und bettete es in die Sofaecke. Nun lag es ruhig

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Alpenrosen
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Page 3 of 4
Date: 24.07.1915
Physical description: 4
gelesen und ge sunden, daß möglicherweise das Glück einer Familie wieder begründet werden könnte, wenn Ihre Arbeit einer bestimmten Per sönlichkeit unterbreitet würde. Könnte ich zu diesem Zweck Ihr Einverständnis als vor- i ausgesetzt annehmen, auch wenn ich Ihnen I heute noch keine weiteren Einzelheiten angeben > kann?" Die Begegnung mit der jungen Frau ! Amtsrichter kam mir in den Sinn. Sollte 1 die Unglücksarbeit durch einen Zufall doch zu etwas gut sein? Na, das weitere

verließ ich meine Wohnmrg und irrte planlos in der Unrgebung umher, ohne ihren Schönheiten eine Beachtung zu schenken. Schlag acht Uhr fand ich mich beim Pa villon im Stadtpark ein. Während draußen die Sonne ihr Abendrot über die Erde goß, begann unter dem dichten Blätterdach schon ! die Dämmerung ihre Schleier zu weben. Tic Amseln sangen ihr Nachtgebet. , Nun standen wir uns gegenüber. Die junge Frau war so leise herangekommen, daß ich ihren Schritt überhört hatte. Mit einem freundlichen Lächeln

, das der Reiz der Ver legenheit verschönte, reichte sie mir die Hand. „Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind!" Es schien sie einige Anstrengung zu kosten, weiter zu reden. Ich versicherte, durchaus'nur deswegen ge kommen zu sein, weil ich aus den heutigen Worten der gnädigen Frau entnommen habe, daß ich ihr vielleicht einen Dienst leisten könne, und bat meiner Ritterlichkeit zu ver trauen. Es war mir durchaus ernst damit. Ich fühlte mich der Nähe einer reinen Frauenseele unterworfen und tat ihr im stil len

Abbitte, daß ich ihr Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit hatte andichten können. Die junge Frau schien meine Gedanken zu erraten. Sie wandte mir voll ihr Ge sicht zu, dem der ernste Ausdruck einen neuen Reiz verlieh. „Ich habe Ihnen schon heute angcdeutet, warum ich Ihre Zeit in Anspruch zu rreh- men mir erlaubte. Sie haben ein Recht, meine Gründe zu erfahren, und ich zögere um soweniger, als ich Sie ungleich höher ein schätzen zu dürfen glaube wie meine andern männlichen Bekannten. — Ihr Schlüssel

roman hat manches unliebsame Aufsehen er- erregt, wie Sie schon selbst erfahren haben werden. Ihre Auslassungen bezüglich der Interpretin meiner Wenigkeit würden mich an und für sich nicht berühren. Aber . . ." Die Frau war ganz nahe an mich heran getreten, ihr Blick zeigte plötzlich eine solche Verzweiflung, daß ich erschüttert wurde. „Bitte, reden Sie nicht, bevor Sie mich gehört haben. Sie haben in den bisherigen Fortsetzungen in meinem Konterfei eine junge, unverstandene Frau geschildert

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Alpenrosen
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Page 3 of 4
Date: 06.02.1915
Physical description: 4
23 Einem plötzlichen Impuls folgend, trat Nelly rasch an die alte Tarne heran, schlang ihre Arme um deren Schulter und sagte im warmen Tone: „Ich fürchte, liebe Tante Berta, unser kleiner Spas; hat dir weh getan. Verzeih', cs war nicht böse gemeint und wir wollen es gewiß nicht wieder tun." „Tie Hauptsache ist, daß ihr euren Zweck erreicht habt," entgegnete Frau Seesorth mit leise bebender Stimme. „Es ist kein leichtes für eine alte Frau, ihre Schuld einzuge stehen, aber nachdem

? . . . Vielleicht hatte in Tante Bertas Leben nie jene Sonne geschienen, die das Eis zum schmelzen, die Knospe zum blühen, die Frucht zum reisen bringt, die Liebe? Oh, sie sollte sie von nun an nicht rnehr missen. Tie Strahlen treuer, aufopfernder Liebe sollten in ihr wundes Herz dringen, es erwärmen und cs beglücken. Tiefen Vorsatz, der sich mit unauslöschlichen Buchstaben in die Seele der jungen Frau grub, gleich ins Werk setzend, beugte sie sich über die alte Tarne und drückte ihre Lippen zärtlich auf deren

Hand, indes Trä nen in ihren Augen schimmerten. Und nun geschah abermals etwas, was jene, die Tante Berta seit langen Jahren „Ein neues Familienglied, das dich lieben soll, Tante Berta." Und die beiden, die alte Frau im schnee weißen Haar, und das Kind mit den blon Beim Strümpfestlicken für die Krieger. karrnten, niemals erlebt. Sie zog das blonde Köpfchen ihrer Nichte an ihre Brust und preßte einen warmen Kuß auf ihre Stirn. * * * Einige Jahre waren vergangen, und mit jedem zurückkehrenden Herbst

traf auch Frau Seesorth in Schloß Roswell wieder ein. Mit offenen Armen wurde sie empfangen, denn längst schon hatte sie es gelernt, sich die Herzen ihrer Umgebung zu erobern. Tante Bertas Bekehrung war in der Tat eine voll ständige gewesen, insbesondere seit jenem Tage, wo Nelly ihr ein kleines, zartes Wesen in die Arme gelegt und ihr innig gesagt: den Locken hatten in der Tat eine innige Liebe zu einander gefaßt. Auch in diesem Augenblick hat klein Mary ihren Lieblingsplatz auf Tante Bertas Schoß

eingenommen und drückt zärtlich die rosige Wange an ihr Gesicht. „Tante Berta, da mußt immer, immer bei Mary bleiben und gar nie mehr sort- sahren; Mary mag es gar nicht leiden, wenn du nicht da bist; Mary hat dich so, so lieb!" fügt das Kind schmeichelnd hinzu und schlingt seine Aermchen um der Tante Hals. „Ist es auch tvirklich wahr, mein Lieb ling?" fragt Frau Seeforth, die Kleine noch inniger an sich drückend. Ein jüdischer Fleischstand in Mlawa. Deutsche Soldaten decken an einem dort typischen

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Alpenrosen
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Page 4 of 4
Date: 15.04.1916
Physical description: 4
zu einer Entschuldigung gefun den hatte. Nun aber kam ihm die Ver nunft ziemlich rasch wieder. „Du bist ein rechter Esel, Alois!", ge stand er sich aufrichtig unb machte sich nicht ohne Gewissensbisse eilig auf den Weg zu seinem alten Mütterchen, das er mit seiner Ankunft. überraschen wollte. Für den anderen Morgen hatte er einen Besuch aufgebürdet bekommen voll einem .Hauptmann, mit dem er lange Zeit Seite all Seite gegen die Russen im Kampfe ge- wescn war. Der hatte eine junge Frau in Innsbruck zurückgelassen

und Alois sollte ihr Grüße bringen mit einem langen Brief da zu, der beinah' noch warm war von der Hand, die ihn geschrieben. Und daß der Herr Hauptmann bald selber kommen würde, sollte er auch äusrichten; denn wenn die Russen noch ordentlich eins auf den Pelz be kämen, würde wohl noch manch' Trüpplein hinunter dürfen nach Tirol. Tie junge Frau konnte soviel Freude auf einmal nicht für sich behalten. „Inge", rief sie jubelnd ins Nebenzim- mer. „Komm' geschwind herein! Der Herr Leutnant bringt Grüße

?" wunderte sich die junge Frau uicht wenig. Alois riß sich schnell zusam men. Die Geistesgegenwart zu behalten ist immer die Hauptsache! Wie oft hatte er das /draußen im Felde erprobt. Sollte er sich nun mit einem Mal verblüffen lassen? „Ein lustiger Zufall hat uns gestern auf dein Bahnhof bekannt werden lassen!" be gann er seinen Bericht. „Lustig fand ich das nun garnicht!" ver besserte Inge entrüstet. „Sie müssen meine Torheit nicht zu streng beurteilen, gnädiges Fräulein. Wenn ich Ih nen erzähle

, wie ich dazu gekommen bin —." „Mir wäre' es lieber. Sie ersparten sich und mir diese Verlegenheit", wehrte das junge Mädchen erglühend ab. „Wollten Sie nicht von meinem Schwager berichten?" Aber jetzt war die junge Frau neugierig geworden. „Alles der Reihe nach, Inge!" bestimmte sie. „Also zuerst Ihre Beichte, Herr Leut nant !" „Ich bin Ihnen direkt dankbar, gnädige Frau, daß ich zunächst mein wirklich schlechtes Gewissen erleichtern darf. Und ich hoffe, mich damit ein ganz klein' bißchen vor dem gnädigen Fräulein

reinwaschen zu können!" begann Alois mutig. „Das klingt ja ordentlich gefährlich !" lachte die Frau Hauptmann. „Haben Sie meiner Schwester etwas gestohlen? Das soll man von den. Russen gut lernen können?" „Gnädige Frau treffen mitten in's Schwarze," bestätigte Alois. „Aber ich muß um ein bißchen Geduld bitten, um meine Missetat menschlicher erscheinen zu lassen. Zehn lange Monate hatte ich von meiner schönen Heimat kein grünes Blatt, keinen blauen Berggipfel mehr gesehen, und wie oft war mir der Gedanke

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Page 2 of 4
Date: 10.06.1916
Physical description: 4
94 Frau Maries Schulter; flüchtig berührte fein Kuß ihre Stirn: „Bist doch mein gutes Pusselchen!" Leise Zuckte die Frau zusammen, sie war zu gescheit, um daran zu rühren: „Ich glaube, lieber Wollmar, dir ist Karlsbad nötiger, als b-u # selbst es weißt; wir müssen darüber Nachdenken — wie?" — — — In der Tat machte Hartwigs altes Lei den neue Ausschreitungen, und über ein Klei nes befand er sich in Karlsbad mitten in der Kur. — Es waren .eilte Menge Leute dort, aber nur ab und .zu ein Bekannter

, und die leeren Stunden begannen .sich zu mehren. Es verlor seinen Zauber für den' Geheimrat sich durch den Menschenstrom .hin durchzuschieben, das Rasseln der Vehikel über sich ergehen zu lassen, Frauenblicke aufzu fangen, die nicht für ihn bestimmt waren, und müßig zuzusehen, wie es aus den Erd löchern dampfte. Seine Frau hätte mit kommen sollen; — was doch die Gewohn heit machte! Ihm fehlte etwas! Als der Geheimrat eines Abends sein Zim- mer betreten hatte, klopfte es an die Türe, ein wenig hart, ein wenig

noch von nichts ! also nur drauf los! Dem armen Kerl, dev da unter die Räder des Autos geraten ist, soll nun noch das zweite Pein amputiert werden!" „Ich habe meinen Beitrag bereits gege ben, lieber Graf." „Haben Sie? gut; dem Elend in der zurückgebliebenen Familie gegenüber aber ist das alles Pust. Die Frau totkrank, sieben hungrige Mäuler, die sich um - den kalten Herd drängen, wie verlassene Schafe um den leeren Futtertrog. Bei der Masse von Unglücksfällen auf allen Gebieten, zieht so ein alltägliches Vorkommnis

, das Programm in der Hand, der Bühne sehr nahe; an demselben Tisch nrit ihm zwei Jünglinge und eine ältere! Dame; fluchtige Bekannte vom Brunnen her. Ter Geheimrat war in den letzten Tagen „zufällig" ein paarmal an dem Hotel vor beigegangen, in welchem die Baronin Szög heni wohnte. Unter den Erdventilen ru morte es und in seiner Brust rumorte es auch. Natürlich nur ein Reagieren auf das: „Nu, da bin ich doch neugierig!" — Er hatte angefangen an seine Frau zu schrei ben, aber unvollendet war der Brief liegen

die Herren an Hartwigs Tisch die Köpfe zusammen: „Maria und Joseph! Das Kno chengerüste !" „Und soviel Mehl aus der Visage!" Die ältere Dame sah mißbilligend aus: „Tie arme Frau hat ein schweres inneres Leiden," sagte sie, „seit Jahren schon; das Elend ist, daß sie es verbergen will um jeden Preis." Darauf leise: „Morphium!" Hartwig starrte hin: Sb er sie wohl wieder erkannt hätte? — er wußte es nicht. Sie! war es ja; immer mehr fand er sich hinein, aber doch war etwas, das sich zwischen einst! und heute

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Page 2 of 4
Date: 02.12.1916
Physical description: 4
194 oTI den Deckenfirlefanz! Aber Fräulein Heinzelmann müssen das ja wissen, mir gehts niicht an!" „Ta haben Sie recht, Frau Meister, es geht nur mich an. Und im übrigen, es sind lauter hochgebildete Leute beim Land sturm ! Und wenn ich einen bekomme, wie die Frau Baurat ihren Professor der Musik, daun wird er meine Sachen in Ordnung halten und die liebende Hand erkennen, die hier gewaltet hat... O, was für göttlich schöne Stunden der Weihe werde ich mit ihn: erleben, wenn er mir vorspielt

aus seinen Werken, seine jteuett Bücher erklärt, mich hineinblicken läßt in die heilige Werk statt seines Genius! Seiner" Gedanken!" Fräulein Adelgunde blickte verzückt gen Himmel, aus dem die ersten, dicken Schnee flocken zur Erde niederwirbelten. „Herrejesses," wunderte sich Frau Meister, „wissen Sie denn schon, wen Sie kriegen?" „Nein, das nicht! Aber dass ich einen von der Musik bekomme, verriet mir der Quartiermacher, der sich das Zimmer ansah." „Na, es jefiel ihm wohl?" „O ja," lächelte Fräuleiir

Adelgunde. „Er meinte: Hier wird's sich schon leben lassen." „Na, denn will ich nu man jehn. Mein Oller kommt zu sechse nach Haus, und will seinen Kaffee in der Röhre finden. Hier is ja nu allens im Schick. Adjüs auch, Fräu lein Heinzelmann!" „Auf Wiedersehn, Frau Meister!" Adelgunde Heinzelmann war allein und wartete... Das Schicksal hatte ihr nicht allzu viele Freuden gegönnt. Still war sie ihren Weg gegangeu. Tie Männerwelt trat nicht in ihr Leben, dazu war sie zu schüch tern und nicht hübsch genug

, das nicht! „Na, und wo komm' ich denn hin?" Fräulein Adelgunde öffnete die Tür zum Allerheiligsten und begann: „So seien Sie mir willkommen in diesem Heim! Möge es Ihnen in den rauhen Kriegsstürmen eine Zuflucht sein." ... Dröhnend lachte' Tambour Franke auf. „Soll es sein! Machen wir! Donnerwetter, fein! Aber wissen Sie, all den Krims krams von Decken wollen wir man run ter nehmen, und die Blumengeschichte auch! Meine Frau sagt immer: „Franke, du schmeißt alles um! Vor dir ist nichts sicher

!" Na, man wird ja nicht viel drin sein! Dienst! Und abends ein Schoppen! Hoffentlich gibt's doch hier einen anständigen Tropfen! Wie heißt denn das nettste Lokal?" „Was sind Sie denn im Zivilberuf," sagte Fräulein Adelgunde schüchtern, der er die Decken und die Vase in die Hände gesteckt hatte. — „Was ich bin? Hausbesitzer, meine Beste! Und Gastwirt! Feine Sache! Ja! Und das beste Bier am Ort! Ja! Na, meine Frau wird es auch schon machen! Sie war Kellnerin im größten Gasthaus in Th. Habe mir was Ordentliches gi> heiratet

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Page 2 of 4
Date: 12.08.1916
Physical description: 4
sich melancholisch, hüllte sich in Schweigen und rief nur ab und zu italienisch eine süß-saure Bemerkung zu Julie hinüber, die diese immer prompt beantwortete. (Schluß folgt.) Die Sparbüchse. Humoreske von Paul Alexander Schettler. Nachdruck verboten. Wir wollen sparen, meine Frau und ich; im Kriege muß man sparen. Ich kaufte daher eine Sparbüchse und, damit es etwas ordentliches sei, erstand ich eine verschließ bare, feuersichere Geldkassette. Ich opferte einen ganzen Zehnmarkschein dafür. Just

den, welchen wir „sparen" wollten. „Na, wenn du gleich so den Anfang! machst," entrüstete sich mein Ehegespons, „dann können wir ja bald reiche Leute wer den !" „Werden wir auch!" erwiderte ich un beirrt und setzte das prächtige Ding auf den Tisch. „So? Und wo nehmen wir das Geld her, das du so zum Fenster hinaus wirfst?" zürnte sie. - „Das sparen wir uns vom Munde ab und stecken es hier hinein!" beharrte ich. „Nein, wahrhaftig, da hätte es doch ein geringeres Kästchen auch getan!" seufzte Frau. „Mein Kind

ausgegeben. So seid ihr Männer, gleich aufs Hohe hin aus. Glaubst du, daß es mir Spaß macht, zu sparen, wenn ich das teure Dings sehe?" „Gut, wenn dir's keinen Spaß macht, mir wird es eine Freude sein." Damit war unsere Unterhaltung über die sen Gegenstand vorläufig beendet. Tie Kas sette erhielt ihren Platz in der obersten Schub lade der Kommode, zu welcher sowohl ich wie meine Frau einen Schlüssel hatten. Ich muß sagen, die Kassette übte auf mich di rekt eine gute Wirkung aus. War ich sonst vom Bureau

Oeffnen der Kassette ein Granen. Meine .Augen flimmerten und meine Gliedmaßen zitterten. Die Kasse war leer. — „Frauchen," sagte ich mit bebender Stimme, „ist ein Fremder, ohne daß du es gesehen hast, in diesem Zimmer gewesen?" „Komische Frage!" staunte meine Frau, „Frau Stefan war hier!" „Mit dieser Frau wirst du nicht mehr verkehren!" befahl ich ernst. „Was hast du denn? Ich werde doch wohl noch .mit 'nem Menschen reden kön nen!" trotzte.sie. „Das wirst du nicht!" wiederholte ich streng

, „ich habe meine Gründe!" „Ach, du bist verrückt. Darf man denn wenigstens erfahren, welche Gründe hinter deinem Verbot stecken?" „Frau Stefan stiehlt!" sagte ich kurz und hart. „Tu faselst wohl — Frau Stefan steh len?" Meine Frau begleitete ihre Rede mit nicht mißzuverstehender Geste des Zeige fingers nach der Stirn. „Wo hätte ich denn meine Augen, wenn ich mich mit ihr unterhalte und so was nicht merkte?"

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Page 2 of 2
Date: 19.06.1915
Physical description: 2
wälzte. Dann fuhr er fort: „Geh also, wenn du mich nicht weiter reizen willst. Was du in der Nacht für mich getan hast, das mach' ich dir schon gut: ich werde dir nichts schuldig bleiben..." „Behaltet Euren Mammon!" fuhr da der zu sprechen und erwähnte auch uicht, daß er dem jungen Manne, den er als Freier so schnöde abgewiesen, sein Leben verdanke. Aber die Tochter hatte es in Duderstadt doch ge hört Und auch zu der stillen, blassen Frau Kielholz war die Kunde des wackeren Ret tungswerkes gedrungen

. _ In dem Herzen der Tochter sowohl wie der Mutter quoll es heiß auf, wenn sie in ihren Gesprächen dieser Tat gedachten und leise regte sich in ihrem Herzen die Hoffnung, daß des Baters harter Sinn sich doch noch erweichen lassen werde. Sie sollten aber zu ihrem Leide erfahren, daß sie sich getäuscht hatten. Als eines Tages die Pachtzeit für ein Stück Land ablief, das Albert Kellners Mutter von dem reichen Bauern gemietet hatte, um es für sich bewirtschaften zu lassen, ließ der See bauer der Frau sagen

. Und nun setzte ihr der Bauer, auf Umwegen auf sein Ziel lossteuernd auseinander, was er sich in den langen Stunden des Krankenlagers ausgedacht hatte. Er wolle das Land der Frau zum Geschenk machen, über das sie frei verfügen könne. Nur solle sie dann das Versprechen entgehen, ihrem Sohne den Gedanken auszureden, daß er seine Tochter znr Frau begehre. An dem Tage, an dem sie den Verzicht Alberts ihm schriftlich gäbe, solle das Land seiner Mutter zu eigen sein. Mit stolzen Worten lehnte die Lehrers witwe

das Angebot ab und mit bitteren Ge fühlen vernahm Albert Kellner von diesem neuen Schlage, den der alte Bauer gegen ihn unternahm, dadurch deutlich sein Den- Jungfran auf all die dräuenden Scheltlvorte entgegnet, an denen es ihr seither nicht mangelte. Noch barscher als zuvor fuhr der Bauer seit dem Tage seine blasse Frau an und noch lauter als bisher schalt er über Knechte und Mägde und ergrimmte er iner lich über die schlechtgeratene Ernte. Der Friede, der nie eine dauernde Heimstatt in diesem Hause

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Page 1 of 4
Date: 06.02.1915
Physical description: 4
nicht, das; wohlerzogene junge Leute ans solche. Weise za ihrer Tante sprechen!" „Du lieber Himmel! Warum sollte ich denn heucheln? Ich sage eben nur offen, was ich denke," antwortete der junge Mann treuherzig. Im selben Augenblick trat Nelly an Frau Seesorth heran; sie trug eine kleine Büchse in der Hand. „Denke dir, Tante, mein Vorschlag hat bei allen unseren Gästen den größten An klang gefunden. Alle ohne Ausnahme er klärten sich bereit, deinen Grundsatz zu befol gen und aufrichtig ihre Meinung zu sagen. Wer ans

einer Unwahrheit ertappt wird, ist verpflichtet, zugunsten der Armen eine Krone in diese Büchse zu werfen. Rolf machte bereits den Anfang, da er Frau Vurnth, die sich um volle zehn Minuten verspätete, versicherte, sic wäre ganz pünktlich erschienen. Rolf, bitte, reiche deiner Tante den Arm," wandte sich die jutlge Frau an ihren Gat ten, „sie hat uns ja ohnedies eine volle Viertelstunde ivarten -lassen." „Sind denn alle hier verrückt geworden?" fragte sich die alte Dame, ihren Arm in den ihres Neffen legend

Ihnen ganz offen, was ich denke. Ihre Stimme ist dünn wie ein Faden und klingt wie ein zer brochener Topf." „Finden Sie nicht auch, mein Herr, daß von allen inneren und äußeren Reizen einer Frau, die klassische Schönheit der Züge die jenige ist, die am meisten imponiert und am bestrickendsten wirkt?" fragte eine an dere Tauie ihren Tischgenossen. „Ich habe eben Musterung gehalten und alle Anwesen den der Reihe nach betrachtet; es sind ja manche darunter, denen man eine gewisse Schönheit der Züge

zu sagen." Indes die Dame lachend ihrem Tischnach barn ntit dem Finger drohte, wandte sich eine andere an einen älteren Herrn, der ihr gegenüber saß, mit der Frage: „Sind Sie nicht ein Hartimcr? Ich habe nämlich vorhin Ihren Namen überhört, aber ihre gebogene Nase und die abstehenden Ohren sind untrügliche Kennzeichen der ge nannten Familie, und da meine ich mich nicht zu irren, wenn ich Sie für einen Hartimer halte." „Gnädige Frau haben ganz richtig er raten; mein Name und mein Aeußeres

sind in der Tat ganz Hartimer, indes schätze ich inich glücklich, sagen zu können, daß mein Charakter nicht Gemeines mit bem Charakter der Hartimer hat." Tante Berta, in deren unmittelbaren Nähe dieses Gespräch geführt wurde, warf dem Sprecher einen zornsunkelnden Blick zu. „Sie scheinen zu vergessen, mein Herr, oder vielleicht wissen Sie nicht, daß ich eine geborene Hartimer bin." „Ich bin mir dessen vollkommen bewußt, gnädige Frau; ein Zweifel wäre übrigens in dieser Beziehung ganz ausgeschlossen ge wesen

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Page 1 of 4
Date: 01.01.1916
Physical description: 4
, Sie können sich zur Ruhe legen, den Ball besuche ich nicht." „Gute Nacht, gnädige Frau!" „Gute Nacht! — Vergessen Sie aber nicht, ta den Umschlag zu erneuern." Eine Tür im Korridor fällt ins Schloß - wie ein fernes Echo ertönt ein zweites Geräusch — dann ist Frau Professor Hobart allein, wieder allein mit ihren quälendere Gedanken. .— Sie hat das Mädchen fort- geschickr, nur nicht vor ihr Gedanken zu ver raten, die sie bisher in den tiefsten Falten de- Herzens verborgen gehalten hat. Und nun sie sich allein weiß

. Zerknittert ist das Schrift lich als ob eine Hand es in wilder Wut Mpreßt und dann in Ruhe wieder zu glät ten versucht hätte. Und trotzdem Frau Ho- i'art jede Zeile des Briefes kennt — beginnt sie noch einmal mit der für sie so pein- t'ollen Lektüre, — „um sich selbst zu quälen", tvie sie bei sich denkt. Das Schreiben aber lautet also: Rom, Mitte November ... Meine Liebe! Es ist jetzt nahezu ein Jahr, daß ich, iir Äen gegenseitigen Wunsch einwilligend, von Eir und meinem Kinde schied,.— der Welt

herzlichen Gruß Dein Rudolph." Zwanzigmal wenigstens hatte Frau Ho- bart angesetzt, den Brief zu beantworten; ablehnend natürlich. Denn war es nicht unter ihrer Würde, zuzugestehen, daß die Vorwürfe berechtigt waren, die ihr der pe dantisch-strenge Gatte noch in diesein Briefe machte? — Zwanzigmal aber hatte sich ihr Herz vergebens aufgebäumt gegen die leise Stimme in ihrer Brust, die da mahnte, die gebotene Friedenshand anzunehmen. Und so las sie immer und immer wieder dieses Schreiben

hat eine kühlende Me dizin herbeigeholt und der Kleine ist in einen unruhigen Schlummer gesunken. Zeitweise fährt er auf und umschlingt im Schlaf ihren Hals, dabei immer wieder flüsternd; „Mut ter, bleibe bei mir." Da hat denn Frau Hobart endlich ihrer Dienerin geheißen, sich schlafen zu legen, während sie selbst bei ihrem Sohne die Wache übernehmen will. Elf Uhr. Der Lärm der Großstadt flaut hier in der entfernten Tiergartenstraße nach Und nach ab. Frau Hobart denkt ait die Zeit, da sie vor drei Jahren hierher

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Page 1 of 4
Date: 07.08.1915
Physical description: 4
wurde von der Eifer sucht geplagt, und sie plagte ihn dafür wieder. An die kleinsten Dinge klammerte sich diese Leidenschaft, werden ihr ja, wie schon Shake speare singt, „Tinge leicht wie Luft Be weis so stark wie Bibelsprüche." Oskar Bunge neigte nun in Wahrheit gar nicht zu Extravaganzen, aber es steckte in ihm eine Dosis Schalkhaftigkeit, und da machte es ihm denn bisweilen Spaß, zu beobachten, wie seine Frau ihn zu kontrol lieren suchte. Oftmals aber wurde die Sache doch lästig, und Oskar sann

Unannehmlichkeiten. Nein, das mußte einmal geändert, sein Frauchen mußte kuriert werden! . Eines Nachmittags hatte Elsriede wieder einmal trüben Gedanken nachgehangen. O diese Männer! Da hatte ihr soeben eine Freundin unter dem Siegel der Ver schwiegenheit eine gräßliche Geschichte mit geteilt! Ihr Mann, ebenfalls Kaufmann, war kürzlich von seiner Urlaubsreise zurück gekehrt und saß nun wieder zu Hause bei seiner Frau. Sie tändelte mit ihm und zog ihm dabei den Ring ab, den er am Zeigefinger trug. Ein weißer

Hautstreifen war sichtbar geworden, und die Gattin hatte gerufen: „Sieh doch, wie verbrannt du bist!" Nun, der Gatte hatte sich auf seinem Ur laub auch eifrig im Freien getummelt, und so hatte der Ring den kleinen Hautstreisen geschützt. Neugierig zog nun die junge Frau auch seinen Ehering vom Goldfinger, aber — o Entsetzen — hier war die Haut ebenso gebräunt wie auf der Hand: Der Gatte hatte während der Reise den Ehering im — Portemonnaie getragen. An diese Erzählung ihrer Freundin dachte Elfriede

es doch das Geschäfts interesse, zunächst auch dir nichts zu sagen!" Elfriede gab ihren Widerstand auf, aber sie nahm sich fest vor, hinter „seine Schliche" zu kommen. Sie legte im Nebenzimmer einen unauffälligen Hut und Umhang zu recht und beschloß, ihm — nachzugehen. Oskar merkte hiervon vorläufig nichts — wenigstens tat er nicht dergleichen — und nach einiger Zeit nahm er Hut und Schirm und verabschiedete sich von seinem Frau chen, das auch weiter keine Einwendungen machte. Langsam ging er die Treppe hinab

er nur hingehen? Nun ging es schon aus.der Stadt heraus, und beide gelangten in weniger belebte Straßen. Hier mußte sie nun schon vor sichtiger sein. Allmählich ging Oskar schneller, so daß sich Elsriede anstrengen mußte- um ihm zu folgen. Was hatte er nur da draußen zu suchen? Mit Mühe folgte die junge Frau; aber nur um keinen Preis Nachlassen. Oskar ging jetzt eilig dahin durch lange Straßen und kam in eine Vorstadt. Auch diese durchschritt er und gelangte in einem gewaltigen Bogen in einen anderen Vor ort

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Page 2 of 6
Date: 26.06.1915
Physical description: 6
er es krachen. Im gleichen Augen blick fühlte er sich von zwei starken Armen zurückgerissen. Noch fühlte er an seiner Schulter einen stechenden Schinerz — noch glaubte er, in ein bleiches, ihm nicht unbe kanntes Antlitz eines jungen Mannes ge sehen zu haben! ^ann schwanden ihm die Sinne . . . Gespenstische Schatten huschten in der grauen Morgenfrühe um das alte, stattliche Bauerngehöst am Seeburger See. Plötzlich blaffte der Hofhund. Frau Kiel holz, die sorgend, die ganze Nacht hindurch gewacht

hatte, schrak aus dem hohen Arm sessel auf, in dem sie zuletzt ratlos sich nieder gelassen hatte. Wo er nur blieb: der Bauer? Er hatte bestimmt versichert, daß er abends zurückkehren werde. Was mochte ihm zuge stoßen sein? Oder fehlte gar ihrem Kinde etwas? — — — Nochmals schlug der Hund an, diesmal schärfer und länger. Frau Kielholz trat auf den Hausflur hinaus und öffnete die Haus tür. Am Tore pochte es. Schlürfenden Schrittes ging sie zum Tore, begleitet von der schweifwedelnden Dogge

begegnete." Und nun erzählte Albert Kellner, daß in Duderstadt ein großer Brand ausgebrocheg sei, wobei fünfzig Häuser und hundert Scheu nen abgebrannt seien. „Und der Bauer?" rief Frau Kielholz ängstlich, als der Erzähler lang und breit die Katastrophe schildern wollte. „Er half bei der Feuerwehr mit und da bei fiel ihm von einem brennenden Hause ein Balken auf die Schulter. Er war be sinnungslos, liegt aber jetzt in bester Pflege im Krankenhause und wird in einigen Tagen geheilt sein." „Gott sei Dank

, ... ich fürchtete schon Entsetzliches! Und du, . . . warum machst du dir die Mühe, den weiten Weg . . „Nicht wahr, Frau Kielholz — ein an derer käme nicht, nachdem er so schroff von dieser Schwelle gewiesen wurde! Aber, hören Sie — ich vertraue doch noch auf eine bes sere Zukunft, die Ihres Mannes harten Sinn erweicht. Ich war dabei, als ihm der Un fall zustieß, half auch, ihn ins Krankenhaus zu bringen und dachte mir wohl, daß es Ihnen lieb wäre, Nachricht zu erhalten, ehe Frau Fama Ihnen womöglich allerlei

SchaUermären zutragen würde . . ." Die Frau reichte dem jungen Mann die Hand hin. „Ich danke dir, Albert! Das war edel — willst du dich stärken?" „Nein! Ich will noch oben der Mutter guten Tag sagen und muß dann heim, — der Dienst ruft!" Und schon schwang er sich aufs Rad und fuhr hinüber zum Dorfe, das sich bis dicht aus Ufer des Sees erstreckte. An einem kleinen epheu- und weinumrauk- ten Häuschen pochte Albert Kellner an einen der kleinen Fensterläden. Es mußte ein wohlbekanntes Zeichen sein; denn bald

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Page 1 of 4
Date: 22.04.1916
Physical description: 4
unter Papiertüten bewundernswert dicke Knospen ansetzten und im März ihre ein same Pflegerin mit süßem Atem umschmei chelten. > „Sie wird nun langsam wunderlich!" be richtete die Aufwartefrau Fräulein Efchewegs eines Tages im Gemüsegeschäft der Nach barschaft, wo sie die wenigen Einkäufe für den kleinen Haushalt besorgte. „Das ist doch kein Wunder," gab die junge Frau zu, „sie ist ja nicht mehr jung. An die siebzig muß sie wohl 'ran sein!" „Fünfundsechzig wird sie!" verbesserte die erste beinahe patzig

. „Und deswegen ist es auch nicht. Ich bin sechsundsechzig und mei nen Sie vielleicht — —" „Ach bewahre", lenkte die Gemüsehändlerin ein, „das ist doch auch ganz was anderes. Sie sind eine Frau und Fräulein Escheweg eine alte Jungfer!" „Das macht es!" bestätigte die Aufwar tung befriedigt. „Seit der Krieg losgegan gen ist, merkt man es ihr auch viel mehr an. Ihr Bräutigam ist doch siebzig ge fallen, und nun hat sie an ein Bild, wo sie mit ihnl zusammen drauf ist, eine schwarz weiß-rote Schleife gesteckt wie'n

verliebter Backfisch." „Na so was! Es ist doch nun schon so lange her!" sagte die junge Frau gerührt. „Daß sie ihn gar nicht vergessen kann!" „Sie will vor allen Dingen nicht! Wie sie schon an die vierzig war, hätt' sie noch einen andern kriegen können. Einen statt lichen, feinen Mann. Aber: „ich muß dem Toten Treue halten!", hat sie mir damals gesagt." „Daß es so 'ne Treue noch gibt!" meinte die Gemüsefrau kopfschüttelnd. „Jetzt, wo sie sich immer wieder scheiden lassen, wenn sie gerade

von der Hochzeitsreise kommen!" „Na, daß sie den damals nicht genommen hat, darüber habe ich inich lange geärgert. Aber manche treten ihr Glück eben mit Füßen." „Einen kleinen Sparren wird sie wohl schon immer gehabt haben!" lachte die junge Frau. „Guten Morgen, Frau Schubert." Seit dein ersten September hatten die Un terhaltungen zwischen den beiden auf Kosten Fräulein Eschewegs fast ganz aufgehört. Nicht, daß es der „Schuberten" an Gesprächs stoff geniangelt hätte, aber sie war aus ihrem Posten durch ein junges

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Page 1 of 4
Date: 10.06.1916
Physical description: 4
Verlag der Tiroler Land«Zeitung. — Druck der Berlagsanstalt Minerva und Familienheim Zürich und Würzburg. Nr. 24 llnterhaltungsdlatt rur „Tiroler Land-Leitung* 1913 Einst im ITtai. Skizze von Joachim von T ü r o w. (Nachdruck verboten.) Geheimrat Hartwig rüstete sich zu seinem Nachmittagsschlase, auf den er große Stücke hielt, und seine Frau tat das ihre, um jeglicher Störung zu wehren. Die kräftigen Sprech-Organe der beiden Jungen wurden tunlichst auf ehrfürchtiges Flüstern gestimmt

ein Wohlmeinender gesagt, „ich würde mich an deiner Stelle um die Mieze Zederström bemühen; kapitales Mädel, dem die Herzensfreundlichkeit aus dem Gesichtel leuchtet: redet 'neu Ton ohne jedes Zuviel, und dabei gesund, gesund an Leib und Seele. Ich glaube, das ist die Richtige für dich!" Und sie wurde die Richtige für ihn. Ver ständigkeit und Güte waren die Fäden, an denen Frau Maries Hand den Haushalt leitete. Dazu die Fähigkeit der Anpassung an den älteren Mann, dessen hypochondrische Anlage wohl

auf ein zeitweiliges Leberlei den zurückzusühren war. Ueber Jahr und Tag wurde ein Paar Zwillingsbuben geboren, an denen Frau Marie ihre Helle Freude hatte, während der Vater sich mehr auf dem alttestamentari schen Standpunkt des Sacharia hielt, der da spricht: „Tie Stadt soll voll sein voll Büblein und Mägdlein, die auf den Gassen spielen." Zum Vollbewußtsein seines häuslichen Glückes war Hartwig überhaupt immer noch nicht gekommen, trotzdem seine Mieze ihm viel fester ans Herz gewachsen

sollte: „Eene, meene, Tintenfaß — geh' in die Schule und lerne was"; — die Füße waren mit in Bewegung gekommen, das Tischtuch hing windschief, ein Topf Milch war da rüber hingegossen, und die Nachmittagssonne hatte ihre Freude daran. Am Fenster saß Frau Marie und steinte Kirschen aus. Sie trug eine blaue Schürze, einzelne Tropfen Saft" waren ihr in das Gesicht gespritzt; die Hände ebenfalls in Saft. — Plötzlich fuhr ein Schreck durch ihre Glieder: Die Türe zu der Höhle des Löwen war gegangen, der Löwe kam

und — — er hatte nicht geschlafen! In einem „hui" waren die Jungen auf und davon, ehe der gefürchtete Katzenkopf in Szene ging. Der Geheimrat hatte überhaupt nur ^ein flüchtiges Hinsehen nach dem Tische voller Entgleisungen; — was er suchte, war seine Frau. Er setzte sich ihr gegenüber und pfiff leise vor sich hin. Sie kannte den kühl ab schätzenden Blick, der über ihre Gestalt ging, und sie wußte: „D a s" war wieder einmal dagewesen! Er wurde, wie sie mit resignier tem Lächeln zu sagen pflegte, .„der ältere Herr

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Page 1 of 4
Date: 29.07.1916
Physical description: 4
, den er mit viel väter licher Sorgfalt pflegte. Sonst hatte er für niemand zu sorgen, als für sich und seine Frau, die säuberlich die kleine Habe in Ord nung hielt und immer pünktlich auf die Minute dem heimkehrenden Gatten ein kräf tiges Mahl bereit hielt. Trotz seiner emsigen Arbeit durch beinahe 50 Jahre war er nicht reich geworden. Aber das plagte ihn nicht. Als nüchterner Mann wußte er sich immer nach der Decke zu strek- ken, und hatte so genng, wovon er leben sollte. Und dazu half ihm sein allbekann ter guter

: Sie war eine Schwätzerin, eine Klatschbase! Was hatte er nicht schon alles gebraucht, um ihr dies Laster abzukaufen! Bitten, Tadeln, Drohen, 's war vergebens. Immer liefen die gleichen Klatschereien des Städtchens bei ihr aus und ein. .Und darunter litt ihr guter Mann recht sehr, ohne an die Verle genheiten zu denken, in die sie ihn mit ihrer heillosen Zunge brachte. Eines Morgens nun, bevor er mit dem Spaten an seine Arbeit gehen wollte, geriet er mit seiner Frau gerade deswegen in hef tigen Zank, was sonst selten

bei ihm vor kam. Während des Disputes öffnet sich die Türe und eine näselnde Stimme ließ sich vernehmen: „Sie, gute Frau, kaufen Sie heute einmal mir etwas ab. Hab alles, Seifen, Kämme, Spiegel, Nadeln, Faden, Kalender, Papier, Tinte, alles was Sie brau chen!" Es war ein Hausierer. Unwirsch kehrt sich Helling um: „Wir brauchen nichts." „Aber ein hübsches Paar Hosenträger, starke Socken?" fragte der Händler lächelnd weiter. Aber der Weinbauer faßte dies Lachen an ders auf. Es stieg ihm aus: „Scher

dich zum Kuckuck, oder wenn du nicht gleich gehst!" — Mit diesen Worten ergriff er ein knor riges Scheit. Ter aber hüpfte mit sei nem Kasten über die Schwelle und rief noch mals zur halbgeöffneten Haustür hinein: „Ein hübsches Paar Hosenträger, starke rocken!" Die Türe flog schallend vor sei' ner Nase ins Schloß. Der arme, geärgerte Helling! Schwebend zündete er seine Pfeife an und begab sich hinauf nach seinem Wein berg. Wie gewöhnlich kam er mittags heim zum gemeinsamen Mahle. Aber seine Frau er kannte

! zum Hcrzerbrecheu. Tie. gute Frau war nun ganz außer sich, wollte den Grund seiner Betrübnis wissen und verlegte sich aufs Abknieen und Be schwören. „O, das bringt mich um!", kams in schmerzlichem Ton von seinen Lippen. „Aber bist etwa du's, der ich meinen Kummer anvertrauen könnte? Tu gehst doch sogleich zu den Nachbarn mit der Neuigkeit!" „Nein, nein, lieber, liebster Mann, tau sendmal nein!" „Mariann, du wirst es doch ausplaudern: du kannst deine Zunge nicht zurückhalten und dann bringst

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Page 4 of 4
Date: 24.03.1917
Physical description: 4
du auf und gehst jetzt an die Arbeit, — drei volle Tage sind ohnedies verloren!" „So? — ja das ist freilich schlimm! Ta will ich mich gleich auf die Beine machen und will sie wieder suchen!" Und ohne das Schelten der erzürnten Frau zu beach te«. warf er sick in die Kleider und ging davon. Nicht aus unkindlichem Trotz oder Lieblosigkeit, wie die Schneiderin weinend klagte; er war der Mutter von Herzen er geben, aber heute konnte er nicht gehorchen, auch nicht reden, so weh es ihm der Mutter wegen tat. Buchbach

hatte er verlassen, um den Ge sprächen über die Windsberger Geschichte zu entgehen. Noch wußte zwar die Mutter nichts von den gestrigen Vorfällen, aber lange konnten sie ihr nicht mehr verborgen bleiben, und dann war er aus dem Regen in die Traufe gekommen. Und was sollte er ihr entgegnen, der klugen, scharkblickenden Frau, wie sich entschuldigen, wie vertei digen? Planlos wendete er sich zuerst nach Schot tendorf — hier erfuhr er, daß er seinem Geschick nicht entrinnen werde. Mit lauten: Hallo ward

ich mir einen anderen Schwiegersohn wünschen wollen, und der Prozeß mit seinem Paten wäre kein Hindernis für ihn gewesen. Nun er sich aber an mir vergriffen, nun ist's aus, aus für immer, das versteht sich ganz von selbst!" (Fortsetzung folgt.) humoristisches. A b g e b l i tz t. Artur beklagt sich bei sei nem reichen Schwiegervater, daß mit seiner Frau kein Auskommen mehr sei. — „Das tut mir sehr leid," sagte der Alte, „der Sache muß abgeholfen werden. Sagen Sie meiner Tochter, daß, wenn sie Ihnen noch einmal Ursache

zur Klageführung gibt, ich sie sofort enterben werde!" — Seit diesem Tage hat sich der Herr Schwiegersohn nie mehr über seine Frau beklagt. Eine geschickte Verkäufers n. Dame: „Ist dieser Regenmantel auch wirk lich wasserdicht, Fräulein?" — Verkäuferin: „Gewiß, gnädige Frau! Damit können Sie sich getrost in einer Dachrinne herumwälzen und Sie werden nickt naß werden!" Neuer G e s a n g v e r e i n. „Horch, im Nebenzimmer wird soeben das Lied gesun gen: Bald gras' ich am Neckar, bald gras' ich am Rhein

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Page 4 of 4
Date: 12.05.1917
Physical description: 4
bei ihm sitzen und sein Quartier teilen durfte. Er hatte schnell Karriere gemacht, und es wurde ihm die Ehre zuteil, mit Seiner! Exzellenz und dessen Adjutanten photogra phiert zu werden, was wieder zur Folge hatte, daß die Gemahlin Seiner Exzellenz sich in das muntere Tierchen verliebte und in jedem Brief den Gatten bat, ihr ja beit Hund mitzubringen. Lachend meinte der Gestrenge eines Tages: „Wenn das so weiter geht, komme ich noch ins Hinter treffen bei meiner Frau, und die Sorge um des Hundes Befinden

! Das sollte auch .Hatschi erfahren. Als der General auf einer kurzen Urlaubsreise Bonn berührte, und ei nen Spaziexgang am alten Zoll machte, stürzte sich plötzlich eine dicke Frau mit dem Freudenrufe: „Nazi, mein Nazi!" auf den gravitätisch hinter Seiner Exzellenz einher- trippelnden Hatschi und dessen Freude be wies, daß sie ihn nicht mit Unrecht als ihr Eigentum requirierte, das ihr bei einer Partie im Siebengebirge abhanden gekommen und von ihr längst als tot beweint worden war. Seine Exzellenz

wollte sich nicht von dem ihm liebgewordenen Tierchen trennen und bot der Frau eine hohe Summe für den Hund. Aber vergeblich ! Erst als der Ge neral ihr die Kriegsabenteuer ihres Lieb lings schilderte und ihr erzählte, wie sehr sich seine Frau auf den Hund freute, und wie gut er es bei ihr haben würde, ließ sie sich ertveichen und gab den Hund her, und zwar ohne Entgelt. Nur eine Ansichtskarte mit dem Bilde Seiner Exzellenz und dem in Hatschi umgetauften Nazi begehrte und erhielt sie. Hatschi aber reiste seelensvergnügt mit sei nem neuen

er uns die Ohren gegeben hat?" Fritzchen, der seinen Vater daheim beim Briefeschreiben schon öfter beobachtet hat, antwortet darauf freudestrahlend: „Damit wir uns den Federhalter dahinter stecken können, Herr Lehrer." — — — — Herr: „Haben Sie ein statistisches Hand buch?" Buchhändler: „Tut mir leid, das habe ich nicht. Was suchen Sie denn?" Herr: „Ich möchte feststellen, wieviel Mäd chen in der Stadt als Dienstmädchen ange stellt sind." Buchhändler: „Marten Sie einen Augen-, blick, bis meine Frau kommt

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