30: Alles Gute! : 30 Jahre Eigenleben ; Betrachtungen zu jedem Jahrzehnt ; die SH von heute und morgen.- (¬Der¬ fahrende Skolast ; 1985, Sondernummer)
zu behalten, ist wichtig, wenn wir uns nun an- sehen wollen, was Guido Piovene in seinem „Viaggio in Italia“ über Südtirol, die Südtiroler Mentalität und die Südtiroler Demokra tie schreibt: „Bozen ist — jedermann weiß es — eine Stadt in deutscher Umgebung. Man spürt in ihr das Leben eines komoden, dumpfen, verschlossenen, starrköpfigen, sentimentalen, sehr wenig leiden schaftlichen und nur zu festgelegten Stunden orgiastischen Vol kes.“ Man muß sich die Folge dieser Eigenschaftswörter italienisch
— diesen „Schädelgrundbruch Europas“, wie Franz Werfel sagt — zerstört wurde? Der Trienter Historiker Umberto Piccinini faßt ein sehr wesentliches Element, das wesentlichste vielleicht, in einen einzigen Satz zusammen: „Frei sein, unabhängig sein, jeder für sich in seinem Tai, aber alle bereit, einander gegenseitig zu helfen, wenn die Not es erforderte.“ Als Rovereto 1509 von den Venezianern wieder an Österreich ab getreten wurde, wurden der trientinischen Stadt alle in den „Statuti Roveretani" niedergelegten Privilegien
während; auf der andern Seite das italienische ideal von Demokratie, eine juridische und idealistische Konzep tion, sicherlich höher, aber doch gefährdet, flüchtig und ständig den Geschicken der Ideen und der Geschichte ausgesetzt.“ Piovene fühlt indessen, daß es die erste der beiden Konzeptionen von Demokratie ist, die in diese Stadt, in diese Welt gehört — und in voller Natürlichkeit, ohne polemische Spitze spricht er von den Italienern Bozens als einer „italienischen Emigration“ in der goti schen Schönheit der Gassen
und Lauben. Diese Italiener sind „eine unruhige, anmaßende, veränderliche Masse, die in ver schiedenen Dialekten laut redet, die schauspielert, gestikuliert und streitet, nicht unähnlich einem Schwarm von Masken in der undurchdringlichen Szenerie der Häuser und der lokalen Stim mungen. Bozen ist eine österreichische Gebirgsstadt, der ein levantinischer Hafen aufgepfropft worden ist.“ Das von Piovene skizzierte Szenario ist eindrucksvoll und im