¬Der¬ Kunstfreund ; N.F., 5 - 8. 1889 - 1892
des unblutigen Opfers Jesu Christi und der Versammlungsort der gläubigen Gemeinde zu sein, tritt auch die Kunst, sobald sie die Schwelle dieses heiligen Hauses überschreitet, in den Dienst des Allerhöchsten, in den Dienst der Kirche, der Gemeinschaft der Gläubigen. „Moses, zieh' deine Schuhe aus, denn der Ort, wo du stehst, ist heilig!' Kunst! zieh' die Kothurnen aus, auf denen du in genialer Hinwegsetzung über das Hergebrachte dahersteigst, der Ort, wo. tu jetzt zu schaffen hast, ist Gottes
Haus und die Pforte des Himmels. Da darfst du nicht in Idee und Forni dich geben, wie es dir beliebt, nein! Du bist hieher- berufen zum Lobe, Zur Verherrlichung des Herrn und seiner Heiligen, zur Erbauung der , christlichen Gemeinde. Wozu ist die Kirche da? Christus selber hat es uns gesagt: „Mein Haus ist ein Bethaus.' Also muß auch die Kunst im Gotteshause beten. Das ist ihr Zweck und kein anderer. Die moderne Kunst hat ganz andere Ideen und Absichten; sie will gefallen, bestechen, originell fein
, ganz Neues bringen, Aufsehen machen; das ist nicht Sache der Kunst für die Kirche, sie muß dort beten, oder, fagen wir noch beffer, vor beten. Beten aber heißt den Geist zu Gott erheben, und objectiv, bewirken, daß der Geist sich zu Gott erhebe. Daraus ergibt sich eine doppelte Anforderung an den für die Kirche schaffenden Künstler, er muß selber religiöse Ueberzeugung und Frömmigkeit besitzen, er muß Werke herstellen, die geeignet sind, den Geist des Glaubens und Gefühle der Andacht in den Herzen
der Kirchenbesucher zu erwecken. Nach moderner Anschauung bèdarf der Künstler eines wahrhaft gläubigen Herzens, eines von der Offenbarung überzeugten Geistes nicht, um befugt utld befähigt- zu sein, für die Kirche und ihren Kultus zu schaffen. Wozu auch in einer Zeit, wo der nächstbeste Junge, der noch nicht trocken geworden hinter den Ohren, sich herausnimmt, über die hei ligsten Mysterien, über die erhabensten Wahrheiten sein Urtheil abzugeben?' Wie soll da der Künstler, der das Lied singt: „Frei ist die Kunst
!' erst glauben müssen, um für das Haus des Herrn schaffen zu dürfen? Und doch ist es nur eine gerechte Forderung, denn ein Mann ohne Glauben und Frömmigkeit wird keine Werke hervorbringen, die -den Geist zu Gott erheben, die dem Tempel Christi zu wirklichem Schmucke und dem Volke zur Erbauung gereichen, sie werden nicht den Geist athmen, der uns auS der hl. Liturgie, der uns in der Kirche anwehen will. Auch die religiöse Kunst „ist eine Lehrmeisterin der Wissenschaft Gottes und eine Angeberin