gebracht, daß er an einen Umbau seines vom Vater und Großvater ererbten Hauses denken konnte. Hundert Jahre mochte das alte Haus schon stehen, ohne daß an seinem Aeußeren etwas ausgebessert worden wäre — es sei denn, daß ein mal ein paar neue Ziegelsteine auf das schadhaft gewordene Dach kamen oder einige von Sonne, Regen und Sturm zer mürbte Fensterläden durch neue ersetzt wurden. Gewiß wur den im Innern des Hauses von Zeit zu Zeit einmal die Türen, Fenster und Fußböden gestrichen, und es 'kamen neue
Tapeten an die Wände, aber sonst blieb alles beim alten. Das Haus war ziemlich verbaut und wies Kam mern, Ecken und Winkel auf, und man fragte sich vergeblich, welcher Plan eigentlich dieser Gestaltung zugrunde gelegen haben mochte. Vermutlich gar keiner. Jedenfalls war man ches in dem alten Haus derart unpraktisch, daß es höchste Zeit schien, bauliche Veränderungen vorzunehmen. Reue Tapeten halfen hier nicht mehr, sie konnten nicht verhin dern, daß der Kalk und Verputz dahinter von den Wänden
gemacht wurde — aber irgendwo fühlte er sich in seiner Haut und in der „guten Stube" des neugewordenen Hauses nicht wohl. Er konnte und mochte nicht viel darüber sprechen, es hätte ihn doch kaum jemand richtig verstanden. Da er kein Spielverderber und unhöflicher Gastgeber sein wollte, tat er so, als sei alles in Ordnung. Er trank auch mehr, als er sonst zu tun pflegte, aber selbst als ihm der Wein die Zunge löste, sprach er nicht davon, daß ihm das Haus seiner Väter irgendwie fremd geworden
und mit ihrer Einrichtung das Unsagbare, die Träume und Erinnerungen, das Weben und Walten der guten Haus geister aus den Ecken und Winkeln vertrieben hatte. Aber dann kam der Tag und die Stunde, in der der Bauer von seiner Abneigung gegen den seelenlosen Raum seines Hauses befreit wurde. Es kam die Not- und Schick salszeit unseres Volkes, in der wir uns noch heute befinden. Stand sie zu Anfang dieses Krieges nur wie eine schwarze Wetterwand an den fernen Horizonten des Reiches, so wälzte sie sich im Verlauf von vier
nicht durch Tod und Verderben zu zersplittern war. Es kam die Zeit der großen Bewährung echter Volkskameradschaft, die Zeit, in der Worte wenig galten, aber alles auf die helfende Tat ankam. Als sich aus den Mauern der zerstörten oder bedrohten Städte der Strom der Mütter, Kinder und Greise aufs Land ergoß, war es für Bruno Kersten eine Selbstverständ lichkeit, Raum in seinem Haus zur Verfügung zu stellen für die, die alles verloren hatten — und zum ersten Male freute er sich, daß die neue „gute Stube