des Thiergartens in der Nähe des Neuen Sees. Es war ein heißer August-Nachmittag und die Luft sogar im Thiergarten war schwül und drückend. Plötzlich kam über Lucie eine beinahe leiden schaftliche Sehnsucht der frischen, reinen, erquickenden Luft des Meeres. Unwillkürlich schloß sie ihre Augen und all' die vertrauten Bilder ihrer Heimath traten ihr klar und deutlich vor, die Seele und darunter auch Richard von Münsters Gesicht, denn er ge hörte untrennbar zu diesen Bildern; er war ein Theil ihres Lebens
und ihrer Heimath, eine Erinnerung, die nie aus ihrer Seele schwinden konnte. In Gedanken versunken blieb sie stehen und fragte sich beinahe muthlos, wie sich der verwickelte Knoten ihres Lebens wohl lösen würde. Da sah sie einen einsamen Reiter auf sich zukommen und als sie dem Reiter ganz nahe war. entrang sich ein leiser Schrei ihren Lippen. Es war Richard von Münster! Keine Einbildung, sondern Richard, ihr lieber Richard, wirklich und lebendig, Richard, der hastig von seinem Pferde sprang. Richard
, der mit beinahe unverständlichen Worten der Freude und des Entzückens zärtlich ihre beiden Hände erfaßte. „Habe ich Dich endlich gefunden, Lucie — endlich — endlich?' „Ich bin so froh — Richard, ich bin so froh!' Lucie fühlte in der That in diesem Augen blicke ein überwältigendes Empfinden des Entzückens und der Dankbarkeit darüber, daß sie ihren alten Freund wiedersah. Sie hatte sich m der letzten Zeit so verlassen, so sorgen voll, so unsicher über ihre Lage und ihre Aussichten gefühlt, daß der Gedanke
, sie wäre jetzt nicht mehr allein, sie hätte jetzt jemanden, auf den sie sich jetzt verlassen könnte, ihr Herz mit unenendlicher Freude erfüllte. „Ich war so einsam, so unglücklich, Richard,' sagte sie, ihre Hände noch immer in den seinen und ihm freudig zulächelnd. „Aber wie kamst Du hierher? Wie fügte es sich, daß wir einander so unerwartet begeg neten? Und Berlha — erzähle mir von Bertha.' Lucie fragte dies alles so hastig und über stürzt, daß ihr die Worte beinahe versagten. Richard befand
sich gleichfalls in großer Auf regung, denn diese Begegnung war ihm völlig unerwartet gekommen. „Ich habe ganz Berlin durchwandert, um Dich zu suchen, Lucie,' sagte er endlich. „Weshalb hast Du uns alle so unglücklich gemacht? Weshalb verließest Du Deine Familie?' „Weil ich nicht nach dem Hause in der Behrenstraße zurückkehren konnte,' antwortete Lucie tief erröthend. „Ich durfte es nicht — darüber war ich mir klar, Richard und was sollte ich da thun? Mein Vater, ja sogar Bertha würden versucht