Anschauung und Kenntnis der Hochgebirge Tirols vor dem Erwachen des Alpinismus
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Author:
Stolz, Otto / von Otto Stolz
Place:
München
Publisher:
Dt. und Österr. Alpenverein
Physical description:
S. [8] - 36, [14] - 66
Language:
Deutsch
Notations:
Aus: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins ; 58 (1927) u. 59 (1928). - In Fraktur
Subject heading:
g.Tirol ; s.Hochgebirge ; s.Bergsteigen ; s.Vorgeschichte
Location mark:
III 100.642
Intern ID:
169200
Kenntnis der Hochgebirge Tirols vor dem Erwachen des Alpinismus 25 Ausspruch das Wesen des Gebirgslandes Tirol so kennzuzeichnen suchte^): „Tirol gleiche einem rauhen und groben Bauernrock, der, obwohl von wegen seiner Falten und Runzeln übel gestaltet und ungeschickt, dennoch nit bös, sondern warm und be- quem sei.' Damit ist eben gemeint, daß das Gebirge unter einer rauhen und wenig einladenden Außenseite manche Vorzüge enthalte. Als solche werden in den landes kundlichen Druckwerken
des 16. bis 18. Jahrhunderts immer wieder angegeben: der Reichtum an nutzbaren und edlen Gesteinen, an Wild, an vortrefflichem Wasser, an Weiden, Wäldern und fruchtbaren Tälern und Hügeln, dazu die Frische und Ge sundheit der Luft, des Klimas. Ja Tirol sei so mit guten Gaben gesegnet und reich an Einkünften, daß es nicht einer Grafschaft, sondern einem Königreich gleichzu- achten sei. Wir finden diese, in der Hauptsache meist gleich bleibende Schilderung in den Weltbeschreibungen von Sebastian Münster (1544), Braun
und Hohenberg (1573) und von Merian (1642), in den Landesbeschreibungen von Ernstinger (1679), Wolkenstein (1610), Mohr (1640), Nigrinus und Veer (1703). Das eigentliche Hoch gebirge wird hierbei stets in dem Sinne berührt, daß seine Wildheit durch den Wald- und Pflanzenwuchs und die Besiedlung der unteren Lagen gemildert und es andrer seits infolge seiner drohenden Unnahbarkeit ein Schutz gegen äußere Feinde des Lan des sei. So sagt Vurglechner (11). V., 1. K.): „Obgleich dieses Land (Tirol) mit grau samen
' ausgedrückt. Dem entspricht ja auch die Ausdrucksweise der Gebirgsbauern von heute^). Christian v. Pach meint in seiner im Jahre 1653 verfaßten Geschichte Kaiser Max I., S. 217: „Die Landsart von Tirol ist gebürgig, aber alle Berg außer der Höchen Iöcher mit Bäum und Wald bekleidet und treffentlichen Brunnen befeuchtet.' Rofchmann sagt in einer Beschreibung Tirols von 174V: „Tirol ist voller Gebürge, doch sind die meisten bis unter die höchsten Felsen und Schnee gipfel fruchtbar.' Sine besondere Abneigung
gegen den Anblick des Hochgebirges scheint Franz v. Brandis gehabt zu haben, was mehrere Jahrzehnte nach Guarinoni einigermaßen wundernehmen muß. Denn er bezeichnet in seinem „Ehrenkränzlein von Tirol' (erschienen 1678), S. 8, „das äußere Ansehen der Gebirge als abscheulich, aber ebenso schatzbegabt seien die innerlichen Vergader'. Wenn so im Gebirge selbst die tieferen, wohl angebauten und stark bevölkerten Lagen eine entsprechende Beurteilung erfuhren, so galten die Hochtäler um so mehr wegen ihrer Kälte