Walther von der Vogelweide : ein Dichterleben.- (Geisteshelden ; 1)
125 — Welche in seinem Herzen wohnt, und bittet sie, sich in das Herz der Geliebten zu schleichen, ihn aber mitzunehmen; sie werde das schon verstehen, denn sie sei die Meisterin aller Diebe, kein Herzensfchloß sei so fest, das sie nicht öffne. Er preist die Minne, daß Jung und Alt von ihr bezwungen werde. Soll der Dichter überwältigt werden, so dankt er Gott, daß er den rechten Minnedienst zu finden weiß, der Königin Minne will er fein Leben weihen. Dazu bedarf er auch des Glückes, und darüber
des König Mai. der allen seine Freude spendet, sein Zauber macht die Menschen jung. Aller Haß schwindet, nur der Wetteifer bleibt, mit welchem die Bäume und die bunte Heide aufblüheu: Blumen und Klee streiten auf der Wiese: du bist kürzer, ich bin länger. Da redet auch der Sänger das Mädchen an: „Roter Mund, wie Du herab Dich setzest! Laß Dein schlimmes Lachen sein. Schäm' Dich, daß Du mich ver letzest, lachst nur iiber meine Pein. Ist das gut gethau? Wehe der verlornen Stunde, kommt ans liebenswürd'gem