Anton Freiherr Di Pauli : ein Lebensbild als Beitrag zur Geschichte Österreichs und Tirols in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.- (Schlern-Schriften ; 19)
dieses Gesetzes erfolgt wäre, ver fügte das Ministerium im einfachen Verordnnngswege die Errich tung der beiden evangelischen Gemeinden. Es war also der für die damalige Zeit unglaubliche Fall gegeben, daß ein Ministerium es wagte, ein von der Krone sanktioniertes Gesetz einfach außer Kraft zu setzen. So versprach der Schluß des Jahres 1875 neuen Sturm für das Jahr 1876. Damit trat die Glaubenseinheitsfrage in ein neues Stadium. Der krasse Rechtsbruch, der in der Verordnung lag, traf
nicht nur die konfessionelle Seite der Frage sondern ebenso, wenn nicht mehr, ihre staatsrechtliche. In konfessioneller Beziehung war der Druck Preußens für jeden denkenden Menschen leicht erkennbar, denn es lag in der Politik dieses Landes, wo immer möglich, den Protestantismus gegen die katholische Kirche zu stützen: dies bestätigte auch etliche Jahre später gegenüber Di Pauli Graf Eduard Taaffe, als er Ministerpräsident war. Das li berale Ministerium war ja stets der treue Diener preußischer Einflüsse
; in diesem besonderen Falle wird es doppelt gern die- 03 ) Das von der Krone sanktionierte Landesgesetz vom 7. April 186b lautete: „Mit Zustimmung des Landtages Meiner gefürsteten Grafschaft Tirol finde Ich anzuordnen wie folgt: „Die Bildung einer selbständigen Gemeinde oder Filiale des evangelischen, des augsburgischen oder helvetischen Be kenntnisses, von welcher Bildung das Recht der Ausübung des öffentlichen Gottesdienstes abhängt, kann innerhalb der Landesgrenzen, der gefürsteten Grafschaft Tirol
von den kompetenten Behörden nur über Einverständnis des Landtages bewilligt werden. Wien, den 7. April 1866. Franz Josef m. p. Belcredi m. p. auf a. h. Anordnung: Bernhard R. v. Meyer m. p.“ Der Text der diesem Gesetze widersprechenden Ministerialverordnung lautete; ZI. 20960.- — In Hinblick auf die verschiedenen Berichte des k. k. Oberkirchenrates betreffend die Bildung evangelischer Gemeinden, in Tirol, dann auf die bezüglichen Denkschriften der evangelischen Generalsynode beider Bekenntnisse, sowie
auf die Eingaben der Superintendential-Ver- Sammlung der Wiener evangelischen Diözese A. G. und H. C. setze ich den k. k. Oberkirchenrat hiedurch in Kenntnis, daß ich dem Herrn Statthal ter von Tirol eröffnet habe, daß meines Erachtens aus dem tirolischen Landesgesetze vom 7. April 1866 (Landesgesetzblatt Nr. 43) kein Grund gegen die Konstituierung einer evangelischen Gemeinde in Meran, und Innsbruck bestehe. Wien, 29. Dezember 1875. Der Minister für Kultus und Unterricht: Stremayr m. p.