Julius Ficker : (1826 - 1902) ; ein Beitrag zur deutschen Gelehrtengeschichte
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Author:
Jung, Julius / J. Jung
Place:
Innsbruck
Publisher:
Tipogr. Ed. Artigianelli dei D.d.M.I.
Physical description:
XIV, 572 S. : 1 Portr.
Language:
Deutsch
Subject heading:
p.Ficker, Julius ¬von¬
Location mark:
II 105.052 ; II 64.739
Intern ID:
269721
der Deutschen jene politische Gestaltung herheigeführt hätte, die für ihre nationalen Interessen vorteilhaft war. Als später die Franzosen die Schwäche des Reiches ausnützten, seien sie auch nicht stillgestanden innerhalb ihrer nationalen Grenzen, sondern hätten überall um sich gegriffen, wo es ihr politisches oder merkantiles Interesse erheischte. Ein ganzes, nur auf der Grundlage von Na tionalreichen beruhendes, in friedlicher Ordnung verharrendes S ta a len- systena sei ein Phantasiebild (121
Staatsbildung, welche sich naturwüchsig aus den besonderen Bedürf nissen jener Zeit entwickelt hat“ (63). Es wird dann die Bedeutung des Kaisertums für jene Zeiten erörtert, die Beschränkung der Grenzen desselben auf Deutschland, Italien und Burgund, die besondere Stellung Italiens und seine finan zielle Bedeutung für das Reich, dessen kriegerische Kraft in Deutsch land wurzelte, die Verpflichtung der Deutschen zur Reichsheerfahrt, die Beziehungen zur römischen Kirche, die sich in günstigen
Bahnen halten ließen, wenn nicht die Tendenz über jene beschränkteren Grenzen des Reiches hinausführte, die zugleich den Päpsten für die Bewahrung ihrer Unabhängigkeit notwendig erschienen. Als diese Schranken nicht mehr eingehalten wurden, unter Heinrich VI. und Friedrich IL, kam es zu einem Kampfe auf Leben und Tod mit der römischen Kurie und ihren Verbündeten, die den Zerfall des Kaiser reiches herbeiführte. Aber mit Nachdruck wird betont: „es ist nicht dem Kaiserreiche die Schuld
an dem politischen Zerfalle unserer Nation beizumessen, sondern gerade das Verlassen der altherge brachten Grundlagen des Kaisertums bat auch die Zerrüttung der Grundlagen der deutschen Königsgewalt zur unmittelbaren Folge ge habt“ (118). . ' Ficker entzieht sich nicht der Frage, was geschehen wäre, wenn unsere Herrscher sich auf Deutschland beschränkt und Italien sich selbst überlassen hätten; ob die Dinge dann einen günstigeren Ver lauf genommen hätten? Er weist darauf hin, daß gerade das Über gewicht
). - Wir halten hier inne. Man. ersieht daß in den „Vorlesungen“ nicht allein eine Polemik vorliegt, sondern daß zugleich wertvolle For schungsergebnisse geboten werden 1 ). ; ■ Ficker beruft sich für seine Ansicht vom Kaiserreich 'auf die öffentliche Meinung jener Zeit und auf den faktischen Erfolg, gibt auch für den sehließlichen Mißerfolg eine Erklärung, im Gegensatz ') Über :die Bedeutung der deutschen, Herrschaft in-Burgund z. B. hatte früher Niemand eine rechte Vorstellung gehabt. . •. .