Dichter, Kaiser und Papst : Walther von der Vogelweide als politischer Dichter
Walther — am wonniglichen Hofe der Babenberger — Lenz und Minne und sang Lieder Zu Gottes Lob und Preis' als aber mit dem Tode des Kaisers Heinrich die schwere Not über Deutschland herein- brach, ließ er der Minne süße Kunst und wurde politischer Dichter. Walther war keinen Augenblick im Zweifel, wie er Stellung nehmen sollte. Er steht — gegen den Papst — auf Seite des deutschen Volkes und des rechtmäßig gewählten Kaisers, verteidigt dessen Recht und straft in zornvollen Worten das Gebahren
Roms und seiner Diener. Was Deutschland während des langjährigen Kampfes zwischen Kaiser und Papst gelebt, empfunden, genossen und gelitten, das alles klingt treulich wieder in seinen politischen Gedichten, in seinen „Sprüchen'. Und das ist auch der Grund , dass. Walther der Lieblingsdichter des deutschen Volkes war und noch ist, weil seine Sprüche das Urteil einer hochwichtigen Vergangenheit, die Ansichten eines dahingeschiedenen Geschlechtes sind über Ereignisse, die sich noch in der Gegenwart
wiederholen, über dieselben Ereignisse, die noch jetzt nach sechshundert jährigem unablässigen, immer noch nicht ganz erfolgreichen Ringen und Kämpfen die Gemüter der Deutschen bewegen und durchglnhen. Möge die Schrift, die ein Bild dieses Kampfes geben will, in dem Dichter und Kaiser für Deutschlands Größe und Ehre fochten, die Päpste und Priester aber auf dieses Reiches Schwäche und Spott sannen, dem deutschen Volke zu Nutz und Fromme» sein. Wien, 1. Mai 1872. Dr. U. Mumwald, Professor an der Mediier