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Title A - Z
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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 124 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
Diese Dinge sind für den Lehrer gewiß nicht erfreulich; denn er will dem Bauer helfen. Der Bauer muß die Zusammenhänge, die seine eigene Welt ho gründlich umgestalten, ganz durchschauen, um ihnen begegnen zu können. Er muß mit der Zeit gehen. Er muß die „andere' Welt verstehen. Dazu aber muß das Buch in das Bauern haus kommen. Der Lehrer muH da besonders klug Vorgehen. Er muß sich von manchen Vor urteilen frei machen. So zum Beispiel von dem Glauben, daß der Bauer eine Vor liebe

für Mundartliches habe. Der Bauer liest Mundartliches gar nicht gerne; denn sprechen und lesen sind für ihn zwei völlig getrennte Dinge. Das Gesprochene ist sein Eigentum, ist auf seinem Hof gewachsen, das taugt mehr für den Mund, nicht für die Feder. Das Gelesene aber kommt von draußen herein, das ist etwas Un bäurisches, dafür paßt die fchriftdeutsche Sprache. Die Mundartdichter sind sehr oft Städter und schreiben für Städter; denn nur ein Mensch, der selbst nicht mehr bäurisch ist, kann schreiben

wie der Bauer spricht. Der Lehrer darf also dem Bauer nicht zuerst gleich Mundartliches vorsetzen wollen. Er könnte sich vieles, was er mühsam aufgebaut hat, damit zerstören. Die Mundartdichtung kann ein Abschluß sein, niemals aber ein Anfang. Auch die Meinung, daß der Bauer gerne Baueengeschichten lese, habe ich nicht bestätigt gefunden. Er will feine wirkliche Welt nicht in übertragener Form gestaltet sehen. Er glaubt nicht an das, was von dieser Bauernwelt, in der er steht, geschrieben

wird, wenn es sich nicht ganz unmittelbar mit dem deckt, was er selbst erlebt hat. Viel lieber läßt er sich in eine fremde Welt führen. Überhaupt steht dem Bauer das Erzählen und Zuhören viel näher als das Lesen. Wer gut erzählen kann, findet viel leichter zum Bauer, als einer, der gut schreiben kann. Es kann geschehen, daß ein Buch wochenlang in der Stube liegt, ohne daß jemand Lust hätte, darin zu lesen. Aber die gleichen Geschichten finden, zu rechter Zeit erzählt, dankbare Zuhörer. Es liegt darin mehr als bloße

Leseträgheit. Das Erzählen ist dem Bauer etwas Eigenes, etwas, das aus seinem Wesen kommt. Kann er doch selbst, wenn man nur den rechten Zugang zu ihm gefunden hat, ganze Bücher erzählen, Bücher, die noch für lange Zeiten ungeschrieben bleiben werden. Vor dem Lesen kommt noch das Nachschlagen. Ein Buch ist dazu da, um darin Rat zu holen. Es ist das die ursprünglichste Auffassung von einem Buch: Ein ge scheiterer Mensch gibt darin seine Erfahrung kund. „Am Anfänge steht der gute Rat', könnte man sagen

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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 147 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
Dieser Pädagogik fehlte das Organ, um überhaupt die brauchgemäße bäuerliche Erziehung verstehen zu können. Was das Kind auf dem Hofe erlebte, war vom Standpunkte dieser neuen Landschule aus gesehen keine Erziehung, höchstens eine Zucht. Brauchtum und Sitte der Gemeinde galten nichts im Vergleiche mit den Formen, die der Liberalismus erzeugt hatte. Wie stellte sich das Dorf dazu? Die Landschule war in das Dorf gedrungen, ohne daß eine innere Bereitschaft dafür vorhanden gewesen wäre. Der Bauer

und seiner Gemeinde Rückständigkeit und mangelnde Einsicht. Man sah nicht, daß der Bauer dmch Jahrhunderte hindurch an seiner brauchgemäßen Hofzucht festgehalten hatte und es niemals verstehen konnte, -aß dieses neue Unternehmen mit dem An- spmch auftrat, seine Kinder erziehen zu wollen. Wer einen Sinn für die lebendigen Kräfte, die in der bäuerlichen Erziehung liegen, hatte, dem war im vorhinein klar, wohin dieser Zustand führen mußte. Die Landschule fand keine Ansatzstelle, um wirk sam erzieherisch einzugreifen

, und verlegte sich daher um so kräftiger auf das Gebiet des Unterrichtes. Dafür hatte anderseits wieder der Bauer mehr Verständnis; denn diese Kenntnisse und Fertigkeiten ließen sich in der neuen Zeit, die eine Umstellung der alten geschlossenen Hostvirtschaft auf einen landwirtschaftlichen Bettieb nötig machte, auch verwerten. So fand man sich aus der Linie einer rein materialistischen Wissensvermittlung, die im Dorfe doppelt verhängnisvoll wirken mußte. So manche Landschule trug

allmählich erkannte, war der Bauer nicht mehr der gleiche wie zuvor. Schon hatte jene gewaltige Wendung zum kapitalistischen Denken eingesetzt, die schließlich die Grundlagen der bäuerlichen Existenz untergrub, weil sie den Bauer, der geschlechterlang der eigene Herr auf eigenem Hofe war, nun abhängig machte von der Weltwirtschaft, das heißt von Zu ständen, die ganz unbäuerlich waren und sich völlig unbeeinflußt vom Dorfe voll zogen. Landschule und Bauer hatten sich im Kreise um sich Herumbewegt: Zuerst

sah die liberale Schule den Bauer nicht, turn sah der Bauer die Schule nicht. Die Heimatschulbewegung lief bald leer, das heißt, sie wurde von geschäftigen Methodikern,

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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 33 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
, daß man mit dem Bauer über die Kinder und über die Schule zu sprechen beginnt, so ent deckt man sehr bald, daß dem Bauer jede Fähigkeit, solche Angelegenheiten aus der Wirklichkeit herauszulöftn, völlig fehlt. Er versteht überhaupt die pädagogische Aufgabe der Landschule nicht. Er versteht, daß die Kinder dort lesen, schreiben und rechnen lernen müssen, daß man ihnen auch sonst noch mancherlei beibringt, was sie daheim nicht hören, und was ihnen für das spätere Leben mehr oder minder von Nutzen

sein k«mn. Bis zu diesem Punkte sieht der Bauer Berechtigung und Aufgabe der Schule ein. Er hat es aufgegeben, dem Lehrer begreiflich zu machen, daß Heueinfchren wichtiger sein kann als Rechtschreiben. In den „unemschuldkgten Versäumnissen' erschöpfte sich ftüher sein Verhältnis zur Schule. Die neue Zeit hat inzwischen so gebieterisch auch auf seinem Hofe ihr Recht gefordert, daß der Bauer die Vermittlung gewisser Kenntnisse und das Erlernen einiger Fettigkeiten, wie Lesen, Schreiben und Rechnen unbedingt anerkennt

. Aber wenn man ihm klar machen will, daß die Schule seine Kinder auch erziehen will, so verficht er dies nicht und begreift darin höchstens eine Anleitung zum Erlernen des bürgerlichen An standes. Er hat es sehr gerne, daß die Kinder brav die Hand geben, schön „Bitte' sagen, den „Hut abnchmen' nsw. Weiter kommt er nicht. Wenn der Lehrer darauf abzielt, beim Bauer Verständnis für das Kind selbst zu wecken, also etwa Sinn für ein psychologisches Erfassen, für ein methodisches Vorgehen, so kommt er darauf, daß der Bauer

im Kinde nicht das Kind, sondern den Knecht, die Dirn, den künf tigen Bauer, die künftige Bäuerin sicht, und daß er deshalb meint, es fei das

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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 48 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
breit. Das erarbeitete heimatliche Lehrgut wurde in entsprechend verein fachter und verkindlichter Form den Kindern weiter verabreicht. Damit wurden der Dorfjugend die Dinge der Umwelt, in denen sie bisher unmittelbar und unbe wußt mittendrin stand, weil sie ihnen durch den Boden und das Blut der Vor fahren verbunden war, bewußt gemacht. Es war ein typisch liberaler Irrtum, zu glauben, daß ein Wissen um die Heimat schon eine größere Anhänglichkeit an die Heimat bedeuten müsse. Der Bauer sah

mit Unbehagen, wie nun auf einmal in der Schule an allen Ecken und Enden von Heimat gesprochen wurde, ja, wie er, der Bauer, nun geradezu in der Schule Mode wurde. Der Bauer spürte aber richtig, daß man Heimat nicht durch Forschen und Studieren gewinnen kann, sondern nur durch Arbeit an dem Boden. Um die Jahrhundertwende wurde es klarer um diese Dinge. Man lernte die Wurzeln einer wirklichen Heimaterzichung kennen, und einzelne sprachen es damals schon aus, daß nur ein Lehrer, der sich selbst im Dorfe

an der Gemeinde, als dem ersten und wichtigsten Glied des Staates, ist die Losung. Voraussetzung dafür ist eine richtige Einstellung zum Bauerntum, die gleich weit entfernt ist von jener durch intellektuellen Hochmut er zeugten Nichtbeachtung des bäuerlichen Kulturgutes als auch von einer romantischen Verklärung des Bauerntums, die nur zu unfruchtbarer, lächerlicher Nachahmung führt. Der Lehrer darf nicht bäuerlicher sein wollen als der Bauer selbst. Damit verscherzt er sich die Achtung, die er auf Grund

seiner Arbeit in der Gemeinde genießt. Aber er muß zeigen, daß er den Bauern versteht, ja, daß er, ohne selbst Bauer zu sein, mit dem Bauer geht und durch sein Schulwerk für ihn arbeitet. Der Kampf für ein besseres Verständnis des Bauerntums muß sich gegen jene Richtung der Psychologie wenden, die in den Bauernkindern nur verminderte Stadtkinder sah. Sie ist am meisten daran schuld, daß der Landlehrer nie die Bauern kinder richtig kennenlernte. Man darf nicht in Bücher schauen, wenn man die Bauernkinder

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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 125 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
, unterhalten und erziehen will. Wie die Arbeit und das Leben, so soll auch dieses Hausbuch in das Jahr gestellt sein: Der Kalender! Ein Kalendermann — es hat seit hundert Jahren keinen mehr gegeben, der den Johann Peter Hebel erreicht hätte! — schreibt nicht für die Bauern, sondern schreibt als Bauer. Er sieht die vielbewegte, viel gestaltige Welt um sich und seinen Hof und stellt das, was das Jahr darin Neues und Wertvolles gebracht hat, handfest und gediegen zum Beschauen hin, als wäre es ein Stück

der Bauernwelt selbst. Der Kalender ist überhaupt der Schlüssel, mit dem man zum Bauer kommt. Das wußten die Lebenöversicherungsanstalten, die Kunstdüngerfabriken und die Neger- mifsionen besser als der Landlehrer. Bauernkalender gibt es mehr schlechte als gute. Das, was man für Städter schreibt, etwas hembgedreht, mit etwas Mundart und bäuerlichem Spaß versehen, möglichst bunte und derbe Bilder dazu — und der Kalender ist fertig, um seine Reise auf das Land anzutreten. Für den Bauer ist das Schlechteste

werden und die Schätze mittelalterlichen Humors. Nur dürfte daraus nicht ein literari sches Unternehmen werden, vielmehr sollte ganz unbefangen jenes Sprachgut aus gewählt werden, das bildungsgeschichtlich unserem Bauerntume entspricht. Die Kunst des Kalendermannes wäre es, trotzdem etwas völlig „Gegenwärtiges' dem Bauer hinzustellen. Es hat nicht viel Sinn, davon zu schreiben, was alles sein soll. Der Lehrer fragt nach dem, was ist. Da kann man nm raten: Dort, wo noch der Bauer unbelesen ist, wo außer

den geistlichen Büchern nicht allzuviel an Büchern vorhanden ist, kann der Lehrer unbedingt den Versuch mit den alten Volksbüchern vom Eulenspiegel, von der schönen Melusine, von Genoveva machen, ja, selbst die Volksmärchen eignen sich dazu. Damit ist dann ein Anfang gemacht, auf dem man vorsichtig weiterbauen kann. Dorfbüchereien find eine gefährliche Sache; denn auf dem Hof taugt nichts Ge liehenes. Was der Zaun umschließt, ist für den Bauer Eigentum. Die bäuerliche

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Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 131 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
. Der Bauer hat einen angeborenen Sinn für Ordnung und Autorität. So ftemd ihm die neue Schule ursprünglich war, für Schulzucht und Gehorsam hatte er immer Verständnis. Er weiß es zu schätzen, wenn der Lehrer in seinem kleinen Reiche ordentlich und rechtschaffen regiert. Wenn dem Bauer auch sonst die Arbeit der Schule wenig zusagt, so versteht er doch, daß der Lehrer zu führen und anzuschaffen hat, und die Schüler gehorchen müssen. Von allen Sttömungcn, die aus dem pädago gischen Lebe» des letzten

Jahrzehnts in das Dorf schlugen, ist jene dem Bauern am unbegreiflichsten geblieben, welche die natürliche Autorität des Lehrers durch „freie' Formen der Gemeinschaftsarbeit ersetzen wollte. Die „Selbstregierung der Schüler', und wie die Experimente auf diesem Gebiete alle Heißen mögen, sind im Dorfe barer Unsinn. Der Sinn für Ordnung und Amorilät, den der Bauer besitzt, stammt aus den Erfahrungen mit feinem eigenen Haus- und Hoftegiment. Amorität ist ihm nicht das Ergebnis abstrakter Überlegungen

, kein blutleeres Etwas, das irgendwo über ihm im Raume schwebt. Der Bauer, der den Besitz übernimmt, empfängt Haus und Hof aus der Hand des Geschlechtes, das vor ihm auf dem Hofe schaffte. Er ist nm Sachwalter des gemeinsamen Gutes. Seine Stellung ist in der Tieft der Zeit verankert, sie läuft über seine Lebensjahre hinweg zu den Kommenden, denen er das ihm anvertraute Gut übergeben muß. Die Autorität, die aus dieser Haltung entspringt, ist im Geschlecht verankert und überzeitlich gebunden. Der Bauer

7
Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 6 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
schiverei! Notzeit sind die Aufsätze dieses Buches entstanden. Durch das M furchtbare Ende des Krieges war das Donaureich zerschlagen worden. Ber- geblich setzte sich das Volk zur Wehr. Tie Deutschen in Österreich wurden volks fremden, feindlichen Mächten preisgegeben. Der Bauer hatte es am schwersten. Die Höfe verschuldeten, die Anwesen verfielen. Die Dörfer verödeten. Die Menschen zogen fort in die Städte. Niemand war im Lande, der dem Bauer half. Kein Ausweg war aus der Verwirrung zu sehen

. In einer einsamen, weltvergessenen Bergschule hatte ich, ein Soldat des Krieges, ein „Heimkehrer', wie man damals sagte, in jenen Fahren meinen Dienst zu tun. Andere machten sich wenig aus der Not, die im Lande war, und hielten Schule, recht und schlecht, als sei nichts Besonderes geschehen. Doch vor uns, die wir mehr Solda ten als Lehrer waren, stand die Frage: Wie können wir dem Bauer Helsen in seiner Not? Was kann die Schule dazu tun? Angesichts dieses Bauernsterbens, das unser Volk vor die letzte

Entscheidung stellte, wurden die Worte gering, wie sie in der her kömmlichen Landschulpädagogik »blich waren. Mit reden war nichts zu richten. Es mutzte etwas getan werden. Die Schule, wie sie war, taugte wenig, um dem Bauer zu Helsen. Sie war bauernsreurd geworden und stand abseits. Sie wußte nicht recht, wozu sie eigentlich hier war. Es kam alles darauf an, ihr endlich die richtige Stellung zu geben. Wo begann denn eigentlich jene bäuerliche Erziehung, um die es uns ging? Sie be gann nicht ln der Schule

, sondern sie begann auf dem Bauernhof. Dort lag der Ausgangspunkt unserer Arbeit. Jahrtausendelang sind von diesen Höfen, ohne viel Worte, ohne große Plane, allein durch die strenge Zucht der Arbeit und des Lebens, tüchtige Banemmenschen hervorgegangen. Der Hof ist Arbeitsstätte, Werkplatz, Haus und Heimat in einem. Der Bauer ist für den Jungen der Meister, bei dem er Hand werk und Arbeit, Lebensart und Gesittung lernt. Diese durch Brauch und Sitte ge festigte Erziehung auf dem Hose ist die ewige Grundlage

8
Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 133 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
läßt, wird er das Vertrauen der Bevölkerung rasch etnbüßen; denn das Dorf will Zucht und Ordnung in der Schule, es will einen Lehrer, zu dem es mit Achtung auf- blicken kann. Der Bauer hat ein feines Empfinden dafür, und es ist ihm in den harten Kriegejahren noch geschärft worden, ob seine Kinder in einem natürlichen Gehorsamsverhältnis zum Lehrer stehen oder nicht. Der Bauer urteilt nicht gerne über die Schule. Er spürt, daß er in diesem Bereiche nicht zu Hause

ist. Wenn er aber einmal den Mund austut, so ist sein härtester Vorwurf der, daß der Lehrer seine Autorität vertrödele. Das meint der Bauer besonders bei jenen Klassen, in denen der Lehrer mit hundert- und tausenderlei Überflüssigkeiten und allzu weitgehender Kindertümelei seine Stellung selbst untergräbt. Der Bauer will, daß seine Kinder in der Schule wahre, wohl begründete Autorität erleben und Gehorsam, Ordnung und Zucht lernen. Die Landschule, die so lange Zeit nach allen möglichen Seiten hin gehört und allerlei Ratschläge

, die für das Dorf wenig oder nichts taugten, befolgt hat, wird gut tun, in den Fragen der Autorität auf das zu horchen, was der Bauer meint. Das Regiment in der Schule soll sein wie das Regiment auf dem Hofe: Eine klare, unteilbare und unabdingbare Autorität, eine feste Ordnung, eine saubere, tüchtige Arbeit. lZ2

9
Books
Category:
Natural sciences, Agriculture, Domestic economy , Pedagogy, Education
Year:
1939
¬Die¬ Bauernschule
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Page 47 of 154
Author: Springenschmid, Karl / Karl Springenschmid
Place: Leipzig
Publisher: Wunderlich
Physical description: 149 S. : Ill.
Language: Deutsch
Subject heading: g.Tirol;s.Bauernhof g.Tirol;s.Landschule
Location mark: II 9.703
Intern ID: 220188
der Durchbruch einer neuen Haltung von unten her, vom Boden, vom Dorfe aus geschah. Nicht überall vollzog sich die Entwicklung zur neuen Schule mit der gleichen Heftigkeit und in denselben Formen, wie sie hier geschildert wurde. Es gab manches Dorf, wo durch die Einsicht der Gemeinde und die zähe, beständige Arbeit eines wirklich heimatverbundenen Lehrers Schule und Bauer sich richtig verstehen lernten und sich gegenseitig weiterhalftn. Aber im ganzen gesehen lag zwischen dem tausend jährigen

, bodenverwachsenen bäuerlichen Erbe und dem liberalen Schulsystem eine große, nicht zu überbrückende Kluft. Dieser Zustand war zu widernatürlich, als daß es nicht schon sehr früh in der neuen Schule unruhig geworden wäre. Zuerst ging es allerdings nur darum, eine Form zu finden, wie Lehrer und Bauer in dem engen Raume, in dem sie nun einmal gemeinsam leben und arbeiten mußten, gegenseitig am besten auskommen könnten. Dies führte vielfach zu einer starken Abkapselung der Schule und einer verschärften

Abseitsstellung des Bauerntums. Aber bald traten einsichtige Schulmänner auf — es waren Kampftmturen, ebenso wie die begeisterten Künder des Liberalismus —, die schon in der Zeit, als das neue System mit großer Selbftsicherheit seine Ziele ver kündete, vor der großen Gefahr warnten, weil die neue Landschule den Bauer nicht sehe, wie er wirklich sei. Sie forderten, daß der unerschöpfliche Reichtum bäuerlichen Lebens auch durch die Schule erschlossen werde. Ahr Kampfruf war die „Heimat schule'. Bald sammelten

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