Diese Dinge sind für den Lehrer gewiß nicht erfreulich; denn er will dem Bauer helfen. Der Bauer muß die Zusammenhänge, die seine eigene Welt ho gründlich umgestalten, ganz durchschauen, um ihnen begegnen zu können. Er muß mit der Zeit gehen. Er muß die „andere' Welt verstehen. Dazu aber muß das Buch in das Bauern haus kommen. Der Lehrer muH da besonders klug Vorgehen. Er muß sich von manchen Vor urteilen frei machen. So zum Beispiel von dem Glauben, daß der Bauer eine Vor liebe
für Mundartliches habe. Der Bauer liest Mundartliches gar nicht gerne; denn sprechen und lesen sind für ihn zwei völlig getrennte Dinge. Das Gesprochene ist sein Eigentum, ist auf seinem Hof gewachsen, das taugt mehr für den Mund, nicht für die Feder. Das Gelesene aber kommt von draußen herein, das ist etwas Un bäurisches, dafür paßt die fchriftdeutsche Sprache. Die Mundartdichter sind sehr oft Städter und schreiben für Städter; denn nur ein Mensch, der selbst nicht mehr bäurisch ist, kann schreiben
wie der Bauer spricht. Der Lehrer darf also dem Bauer nicht zuerst gleich Mundartliches vorsetzen wollen. Er könnte sich vieles, was er mühsam aufgebaut hat, damit zerstören. Die Mundartdichtung kann ein Abschluß sein, niemals aber ein Anfang. Auch die Meinung, daß der Bauer gerne Baueengeschichten lese, habe ich nicht bestätigt gefunden. Er will feine wirkliche Welt nicht in übertragener Form gestaltet sehen. Er glaubt nicht an das, was von dieser Bauernwelt, in der er steht, geschrieben
wird, wenn es sich nicht ganz unmittelbar mit dem deckt, was er selbst erlebt hat. Viel lieber läßt er sich in eine fremde Welt führen. Überhaupt steht dem Bauer das Erzählen und Zuhören viel näher als das Lesen. Wer gut erzählen kann, findet viel leichter zum Bauer, als einer, der gut schreiben kann. Es kann geschehen, daß ein Buch wochenlang in der Stube liegt, ohne daß jemand Lust hätte, darin zu lesen. Aber die gleichen Geschichten finden, zu rechter Zeit erzählt, dankbare Zuhörer. Es liegt darin mehr als bloße
Leseträgheit. Das Erzählen ist dem Bauer etwas Eigenes, etwas, das aus seinem Wesen kommt. Kann er doch selbst, wenn man nur den rechten Zugang zu ihm gefunden hat, ganze Bücher erzählen, Bücher, die noch für lange Zeiten ungeschrieben bleiben werden. Vor dem Lesen kommt noch das Nachschlagen. Ein Buch ist dazu da, um darin Rat zu holen. Es ist das die ursprünglichste Auffassung von einem Buch: Ein ge scheiterer Mensch gibt darin seine Erfahrung kund. „Am Anfänge steht der gute Rat', könnte man sagen