Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs ; Bd. 2. - (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs ; 3)
388 Benedikt, des Kronprinzen Joseph, der Versorgung zweier Erzherzoginnen und in der Garantie des italienischen Besitzes des Erzhauses, vor allem für Toskana, gesehen. Hier sollte der Vertrag als Gegengewicht gegen den Separatartikel der „Quadrupelallianz' dienen, laut welchem kein im Besitz anderer italienischer Länder stehendes Mitglied des Erzhauses Toskana erhalten dürfe. Hinter diesen Punkten traten die toskanischen Präsidien an Bedeutung zurück. Für den Hof von Neapel lag, seit Ludwig
XV. der Erbfolge zustimmte, der Anreiz nur mehr in der Verlobung der Infantin mit Joseph. Der französische Botsehafter Comte de Choiseul-Stainville, der bald darauf zum Due de Praslin erhoben wurde, trug Kaunitz die Hand der Infantin Isabella von Parma für Joseph an. Der Staatskanzler konnte dies nicht einfach zur Kenntnis nehmen oder eine zweideutige Antwort geben und eröffnete dem Franzosen, daß die Kaiserin bereits dem Königspaar von Neapel ihr Wort gegeben. Stainville erhielt darauf von Versailles
die Weisung, die Prinzessin dem zweiten Erzherzog anzubieten, außer wenn die neapolitanische Heirat nicht zustande käme und Joseph frei würde. Kaunitz benützte die Gelegenheit, seinem Freunde Firmian gegenüber hervorzuheben, wie gut es für einen Diplomaten sei, manchmal gleich die Wahrheit zu sagen, denn, kaum hatte er sie Stainville eröffnet, erklärte dieser, daß sie ihm schon längst bekannt sei. Die Schwierigkeit der Verheiratung von Isabella mit Erzherzog Karl lag in der Versorgung. Als Kaunitz
unter Berufung auf das Hausgesetz eine Erklärung vermeiden wollte, gab ihm Stainville zu verstehen, daß ihm der Inhalt des Geheimartikels der „Quadrupelallianz' bekannt sei. Nur mit Bedauern sah sich Maria Theresia durch ihr gegebenes Wort genötigt, den Antrag Ludwigs XV., seine Enkelin mit Joseph zu vermählen, abzulehnen. Da fand Kaunitz einen Ausweg: die Liebe. Joseph ist nämlich von der Infantin Isabella Leibes- und Gemüts-Eigcnschaften unter der Hand benachrichtigt worden und hat auf diese Prinzessin
die Schuld an der Entlobung Josephs Tanucei in die Schuhe: Es ist also dem Neapolitanischen Hof und vermutlich dem allzu feinen Benehmen des dortigen Staatssecretari Tanucei beizumessen, daß die geheime Unterhandlung unvollkommen verblieben und Graf Firmian, ohne etwas zum Schlüsse zu bringen, von dannen abreisen müssen. Neipperg oblag die Aufgabe, die Verlobung des Kronprinzen Joseph dem Hof mitzuteilen. Karl und Amalia sahen sich um ihre Hoffnungen betrogen, Tanucei bedauerte pathetisch, daß das erste