¬Der¬ Auswanderer aus dem Zillerthale : ein Charaktergemälde aus dem Tiroler Volksleben
, wir treffen uns wieder!' Das tiefgekränkte Freifräulein hatte nichts Eiligeres zu thnn, als der Ba ronin und ihrem Gemahle mit thränend'en Augen zu berichten, wie schwer sie von Henri beleidigt worden sei und zu erklären, daß es einen Scandal absetzen werde, wenn die Familie des Generals sich noch ini Mindesten jener des Barons nähern würde. Sie fordere zwar nicht, daß sich dieser mit Henri auf Pistolen duellire, da sie auch hierin seine unadeligen Ansichten kenne, allein einen ganz entschiedenen Brief
an den General müsse er schreiben, worin er erkläre, daß das höchst ungeeignete Benehmen Henris einen vollständigen Bruch beider Familien nothwendig mache. Thila war klug genug, nur den ersten Theil ihrer Unterredung mit Henri zu berichten, die Angelegenheit Josefinens verschwieg sie. Der Baron, zu sehr schon daran gewöhnt, Thila in unangenehme Vorfälle verwickelt zu sehen, ließ sich durch ihre Erzählung nicht aus seiner Ruhe und Fassung bringen, sondern bemerkte ganz theilnahmslos: „Weißt du was, Thila
jetzt so, weil er sich bereits übersättigt hat und an nichts mehr Geschmack findet. Am Ende hättest du noch Lust, deine Kinder nach diesen Ansichten erziehen zu wollen, wogegen ich auf das Bestimmteste —' „Gar keinen Einfluß auszuüben habe!' fiel der Baron in die Rede. „Gott! seufzte das Freifräulein, welche Grundsätze? Unsere Ahnen im Grabe müssen sich umkehren!' „Ich halte es für besser, wenn sich die Lebendigen umkehren', warf der Baron unwirsch darein und gieng aus den, Zimmer. „Dein Mann verbauert noch ganz, eiferte
Thila mit sprühenden Augen, und ich finde es ganz unbegreiflich, wie du, die du so lauge am Hofe gelebt, dich nicht namenlos unglücklich in seiner Nähe fühlst.' „Thila, entgegnete die Baronin mit Würde, diese deine Bemerkung ist sehr überflüssig. Du magst an dir selbst sehen, daß das, was wir irrthümlicher Weise Bildung und Anstand nennen, uns den Menschen nicht theuer macht. Ich liebe Marienkind, 47