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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 236 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
ruhig werden. Das Leben war ihr immer so gleich gültig gewesen; sie hatte ja niemals einen Menschen gehabt, der es gut mit ihr meinte. Plötzlich fuhr sie erschrocken zusammen, es hatte jemand hinter ihr gehustet. Als sie sich umdrehte, sah sie eine in ein großes Umschlagetuch gehüllte Frau aus den Usererlen auftauchen. Die war ebenso überrascht wie Anna. Ihre schmutzige Hand suchte das Tuch, das vom Kopf gleiten wollte, über der Stirn festzuhalten. In der andern Hand trug

sie eine mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllte Flasche. Das Gesicht erschien aufgedunsen und verwahrlost. „Grüß Gott,' sagte sie und blieb unentschlossen stehn. Dann kam sie ans Ufer heran und setzte sich etwas abseits von Anna ins welke Gras. Anna trocknete verstohlen die Tränen aus dem Gesicht, am liebsten war sie aufgestanden und weggegangen, aber sie wollte sich nicht gleich auffällig machen. Die Alte kümmerte sich nicht um sie, redete leise vor sich hin und verzog das Gesicht Zu einem be friedigten Grinsen

. Dann hob sie auf einmal die Flasche zum Mund und trank. „Da,' sagte sie dann und reichte das Gefäß der Anna hin, „trink, wenn du magst.' Anna schüttelte ablehnend den Kopf. Es grauste sie... „Dann laßt du's halt bleiben; wer nicht will, hat schon gehabt. Lustig sein, immer lustig! das ist das gescheiteste. Meine Liebe, mit dem Rehren ist nichts geschafft. Ist dir der deinige durchgegangen? ... Nicht? ... Teufel, wenn ich ein Bauernmensch war

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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 22 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
korb fünf Eier, ein Stückchen Butter und ein rundes Weizenbrot heraus und legte alles das auf die Bank vor die Moidl hin. „Ich kenn dich schon,' sagte die. „Du bist die Torggler-Anna.' Als Anna sich erkannt sah, wurde sie über und über rot, wollte reden und brachte nichts Rechtes heraus, während die Moidl mit einem schmutzigen Kartenspiel, das sie in der Hand hatte, ungeduldig auf ihr Gebetbuch klopfte. Die Furtnerin aber redete giftig vor sich hin, trommelte mit den Fingern auf der Fensterbank

und schüttelte den Kopf, wie ein Mensch, der noch immer nicht begreift, daß es so zunichte und ausverschämte Leute auf der Gottes Erde geben kann, wie diese Nalsenn. „Was redet sie denn?' fragte Anna eingeschüchtert und deutete auf die Taube. „Mein lieb'ö Madel, das weiß niemand. Wenn sie ihren Stroach hat, muß man sie nur reden lassen. Auf ihn hat sie es abgesehen, sag ich dir. Und ich will niemandem nichts Böses nachsagen, aber das ist einmal gewiß, daß sie's nicht gut mit ihm vorhat. Mein Gott, so ein alt

schwach'6 Mann'l, das nichts Gutes auf der Welt hat, und keinen Menschen, der sich drum kümmern tat, wenn ich nicht war. Erb schleichen tut sie. Du schaust aus wie ein ver nünftiges Mädel, mit dir kann man schon reden. Und du wirst's schon noch erleben, meiner Seel, daß der Gendarm kommt und sie geschlossen ins Bezirksgericht hinüberführt, wegen Erbschleicherei.' Die Anna saß still da, hielt den Korb auf ihrem Schoß, und ließ den Redestrom der Nalser Moidl geduldig über sich ergehen. Schließlich

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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 233 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
feenn so schlimm? Einmal wenigstens war einer ge wesen, der ihr schön getan, sie gestreichelt und geküßt hätte. Und war's auch nur ein halber Lotter, so hatte er doch so liebe Augen ... Sünde? Ach, das Wasser und der Inn blieben ihr immer noch, wenn sie sterben wollte. Am andern Tag schien die Sonne. Aber Anna traute sich nicht mehr in den Straßen herumzugehn; schon gestern war es ihr vorgekommen, als sähen die Polizisten sie so merkwürdig an. Aber sie lief doch in eine kleine Kirche zur Messe

. Mittags sah sie zum erstenmal die Wirtin, die sonst immer in der Tiefe ihrer dampfenden und feuchten Küche die Mägde zu kommandieren pflegte. Jetzt stand die fette und etwas schmutzige Frau im Hausflur; die Schürze hatte sie an einem Zipfel ausgenommen, die andere Hand hatte sie in die Hüfte gestemmt. In den dicken Ohrläppchen saßen große, runde Ohrringe, die ebenso wie die Uhrkette im Dunkel des Hausflurs aben teuerlich blitzten. „Guten Nachmittag, Frau,' sagte sie, als Anna, ihre Tasche am Arm

, behutsam auftretend an ihr vorbei wollte. Anna sagte gleichfalls „Guten Nachmittag', und errötete unter dem forschenden Blick der Wirtin. „Schönes Wetter heut,' sagte die; sie schien durchaus ihren Diskurs haben zu wollen, und Anna blieb ratlos stehen. „Ja, schon.. „Wenn einmal Allerseelen vorbei ist, bei uns in Innsbruck, wird gewöhnlich noch das schönste Wetter... i§*

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Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 97 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
mal sang Anna sogar mit, freilich nur schüchtern, und erst allmählich erwärmte sie sich an der eigenen Stimme, und Sopran und Alt vereinigten sich zu einem schönen, sehnsüchtigen Doppelklang, der in das schwelgende Land hinaustönte, vom Wind getragen und bald verweht. „Schön ist's,' sagte der neue Knecht und lachte breitmäulig. „Sing mit, du Depp,' meinte die Jula. „Ich kann nicht.' „Ach was, du hast's doch auch in der Schule gelernt.. . .Schöner grüner Frühling', oder .Wenn ich zu Nachten komm

vom Berg'.. „Ja, ich möchsss schon probieren, aber du darfst nicht hersehen, sonst genier ich mich.' Die Jula begann; da fiel Anna leise ein, und endlich mischten sich auch des Knechtes Fisteltöne in den Gesang; es klang nicht gut, aber auch nicht ganz schlecht, und es wurde an diesem Abend spät, bevor sie schlafen gingen. In den Nächten kamen oft Gewitter; da stand der Labkogel in schwefligem Schein, und in den Bachrunsen tobten die Wasser, mit Steinen und Schlamm vermengt, wütend zu Tal. Leuchtete

der Blitz auf, so erwachten die fernen Gletschergipfel, die sonst von der Nacht verschlungen waren und am Horizont weit hingelagert schliefen wie schwarze Kühe, zu hellem Glanze. Die Blitze verästelten sich am Himmel, schienen aus den Bergen empor zu strahlen und am fernsten Weltende erst in das Nichts zu versinken. Da lauschte Anna auf das Knattern des

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Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 265 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
um die Pferde anzutreiben. Und auf einmal kam der Philipp aus dem Hause, lief neben dem sich noch langsam bewegenden Wagen her, sah Anna an, bittend, wie ein Hund, und reckte ihr die Hand hin. Regungslos sah sie über ihn hinweg, aber er ließ die Hand nicht sinken und lief immer schneller mit. Man sah, daß er zu ihr redete, auf seinen Wangen brannten zwei kreisrunde Flecke, in seinen Augen stand eine hündische Angst... Aber da kam der Wagen schnell in Gang, der Kutscher schlug mit der Peitsche

aus die Pferde ein ... Staub flog auf, und auf einmal sah man den Philipp quer über den Weg zu einem Steinhaufen wanken. Dort saß er und deckte das Gesicht mit den Händen. An ihm vorbei flutete die hastende Menge, die dem Wagen nachlief. — Anna schaute gradaus in den Dunst der fernen Berge im Westen. Die Straße stieg jetzt an, die Pferde zogen langsam im Schritt. Ein kleiner schwarz haariger Bub mit roten Wangen, barfüßig und etwas zerlumpt, lief noch laut johlend hinter dem Wagen drein

; aber der Postenführer drohte mit der Faust; da kletterte er kreischend über den Zaun und lief, ohne sich umzusehen, durch die Stoppelfelder. Der Kutscher hatte eine gelbe Strohblume auf dem Hut, und Anna schien es, als zwänge eine innere Gewalt sie, immer darauf hinzusehen; und alle Ge dankenschwere, die auf ihrer Seele lag, ging in diesem trüben Starren unter ... So weit das Auge zu sehen vermochte, zog sich zwischen Zäunen und fahlen Wiesen die Straße hin. Über einem Bühel erschien 17 *

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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 156 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
Aus der Schlucht herauf brauste es hohl, am Himmel waren keine Sterne. Im Dorf unten brannten ferne Lichter. Im Stall brüllte eine Kuh; Anna hatte schon die Schwefelhölzer aus der Tasche gezogen, aber als sie das hörte, bekam sie ein häm merndes Herzklopfen. Der schöne Hof! Der schöne Hof! . .. Aber wenn es ihr Glück war, durfte sie nicht lang überlegen ... Und ihn würde es so kränken, so kränken, daß der Gedanke allein schon Mut gab ».. Rein, nicht mehr lang Nachdenken ... Rasch sah

sie noch nach dem hellen Fenster hin über. Im nächsten. Augenblick schlüpfte sie in den Heustadel. Dem Knecht in der Stube schien es, als hätte er auf dem Hof eine Tür knarren hören. Er hob den Kopf ein wenig, aber es war nicht möglich, in der Dunkelheit draußen etwas zu erkennen. Da ließ er sich beruhigt zurücksinken; er war müde, und die Augen fielen ihm immer wieder zu. Aber Anna stand im dunkeln Stadel, ganz be nommen vom starken Duft des trockenen Heus, der ihr immer Kopfschmerzen machte. Langsam überlegte

sie ... Ein Schwefelhölzchen flammte mit bläulicher Flamme auf ... noch eins ... die andern entfielen den starren Fingern ... sie bückte sich, suchte sie zu sammen, legte sie da und dort auf den Heustock .., dann warf sie die brennenden dazu ... seltsam be gann es zu knistern. Im nächsten Augenblick war Anna wieder auf dem Hof. Sie sah zurück, aber alles war noch dunkel, nur aus der offen gebliebenen Stadeltür

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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 40 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
Anna meinte vor Angst vergehen zu müssen. Ihr Herz klopfte wie ein Hammer; Simons Hand, die sie niederhielt, lag schwer auf ihr. Aber mit weit geöffneten Augen starrte sie auf den Lichtschein, der durch den Türspalt an die Balkendecke fiel. Der Alte machte unten ein paar Schritte, ging offenbar um die Heutrete herum, wartete noch einen Augenblick und zog dann langsam wieder ab. Die Treppe krachte unter seinen schweren Holzpantoffeln, dann hörte man ihn noch einmal husten, und dann ging

das niedrige Gatter der Haustür, das zum Schutz gegen die Hennen bestimmt war, kreischend inseinen Angeln. „Jetzt tat ich liegen bleiben wollen,' sagte Anna. „Und nimmer aufstehen. Grad so liegen bleiben. Und alles müßte ein End Haben.' „Was denn?' „Alles, — ich weiß nicht. Oder daß es wenigstens aufkäme. Daß alle es wissen.' „Bist du narret?' Sie antwortete nicht, drängte sich näher an den Geliebten, der langsam gegen den Rand des Heu stocks hinkroch, und wollte ihn küssen. Aber er machte sich unsanft

von ihr los: „Laß mich in Ruh! Jetzt ist nicht Zeit zum Schöntun. . . Bleib du noch da! Ich schau, daß ich hinten in den Stall komm. Und du gehst grad die Treppe hinunter . . „Geh nicht fort!' Aber er sprang auf dell Boden hinunter und verschwand durch eine Falltür, die in den Kuhstall führte. Auch Anna gelang es nach bangen Minuten eines zitternden Wartens in die Küche zu kommen.

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Books
Category:
Fiction
Year:
[ca.1910]
¬Die¬ Nachtmahr : Roman
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Page 72 of 272
Author: Huldschiner, Richard / Richard Huldschiner
Place: München
Publisher: Langen
Physical description: 260 S.
Language: Deutsch
Location mark: 1.974
Intern ID: 72647
graben, daß mich die ganze Welt am Hintern lecken kann.' Die Frauen verwiesen ihm sein gotteslästerliches Reden, aber er krümmte sich vor Lachen und klopfte sich seelenvergnügt auf die dicken, kurzen Schenkel. Es war ganz dunkel geworden. Anna hoffte immer noch, der Simon werde bald wieder da sein; aber er kam nicht, und ihr wurde immer banger zu mute. Die teilnehmenden Fragen der Nachbarin nach dem Termin ihrer Niederkunft beantwortete sie ausweichend; sie wußte selbst nicht, wann es soweit

sein würde. Hatte sie sich auf der Lams gut eingerichtet? Dank der Nachfrage; recht gut. „Sie hat einen guten Mann,' sagte Much. „Und ihr schönes Auskommen. Da vergehen einem schon die Grillen.' Anna stand plötzlich auf: „Ich bin müd und geh schlafen. Gute Nacht, Angerin. Gute Nacht, Vater.' „Gute Nacht, Lamserin,' sagte Much und machte einen Kratzfuß. „Und wenn du auch mir ein anderes Mal gute Nacht sagen tätest, tat ich dir das große Geheimnis vom siebenten Himmel verraten, wohin die Pfarrherrn, die Oberleutnants

, die Vierspännigen und die nobeln Einödbäuerinnen hinkommen, die das Stolzsein mit der Mistgabel gefressen haben.' Anna konnte nicht schlafen. Der Mond stand am Himmel. Im Dorf war alles ruhig geworden. Die Häuser und Bäume warfen tiefe Schatten über

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