¬Die¬ Südtiroler Frage : Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit
mit den slawischen Abwehrorganisationen der neu-italienischen Gebiete an der Adria suchte er von der Regierung beruhigende Zusagen zu erhalten. Am 21. September wurden deut sche und slawische Vertreter von Giolitti in Rom empfangen. Von neuem versicherte man die Regierung der Loyalität der Bevölke rung, sprach aber den Wunsch nach einer baldigen Regelung ihres Verhältnisses zum italienischen Staate aus mit der Erwartung, daß ihre sprachliche und kulturelle Eigenart berücksichtigt werde. Der Ministerpräsident
antwortete mit der erneuten formellen Zusiche rung, daß die Regierung die kulturellen und wirtschaftlichen Über lieferungen der fremdstämmigen Bevölkerung achten wolle. Am a4- September nahm auch der Senat, und zwar einstimmig, das Annexionsdekret an. Der Trienter Bürgermeister, Senator Zippel, begrüßte den Augenblick, da die natürlichen Grenzen Italiens wie der erreicht seien, zu denen einst die Legionen des Tiberius gelang ten, und gab dem Bedauern Ausdruck, daß nicht auch die Annexion der übrigen
erlösten Gebiete ausgesprochen werden könne, womit er auf die Tatsache anspielte, daß die Verständigung mit Südslawien noch immer nicht zustande gekommen war. Der Außenminister, Graf Sforza, sprach die Erwartung aus, daß es weder einen deut schen noch einen slawischen Irredentismus geben werde, und Gio litti erneuerte die feierliche Versicherung, daß die Regierung sich im Sinne einer weisen Verwaltung von unparteilicher Gerechtigkeit für die annektierte Bevölkerung leiten lassen werde. Am 26. Sep
tember erfolgte die Unterzeichnung des Dekrets durch den König. Die Regierung wurde dadurch ermächtigt, den Friedensvertrag nun mehr zur Durchführung zu bringen, in den annektierten Gebieten Verfassung und Gesetze des Königreiches zu veröffentlichen und die notwendigen Verfügungen zu treffen, um die Gesetze mit der bis dahin in den Gebieten geltenden Gesetzgebung in Einklang zu brin-