Vieles war anders : volkskundliche und zeitgeschichtliche Aufzeichnung über Villanders
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Author:
Augschöll Blasbichler, Annemarie / von Annemarie Augschöll Blasbichler mit Zeichnungen von Hans Gasser
Place:
Villanders
Publisher:
Bildungsausschuss Villanders
Physical description:
226 S. : zahlr. Ill.
Language:
Deutsch
Notations:
Literaturverz. S. 226
Subject heading:
g.Villanders ; z.Sozialgeschichte 1880-2000<br>g.Villanders ; s.Heimatkunde
Location mark:
III 197.803
Intern ID:
300545
Musikinstrumente und auf die alten und jungen Gesichter. Natürlich nahmen alle Vereine teil. Als Besonderheit dieser Prozession galt die Kopie des Bozner Herz-Jesu-Bildes, die, von Buchsbaumzweigen umrahmt, von vier Ehrenmän nern in Tracht knapp vor dem Himmel mitgetragen wurde. Obwohl in den ersten Nachkriegsjahren kaum Fremde als Zuschauer am Prozessionsweg standen, wetterte der alte Pfarrer von der Kanzel aus schon gegen die heidnischen und sittenlosen Städter, wie er sie nannte, und ver
scheuchte sie auch, während er vor dem Himmel schritt und aus Altersgrün den das Allerheiligste zu tragen, einem Jüngeren überlassen hatte. Das tat er auch bei den anderen großen Prozessionen. Zum Abschluss der Herz-Jesu-Prozession erklang in der Kirche noch das Bundeslied „Auf zum Schwur!“, bei dem alle Gläubigen inbrünstig mitsan gen, besonders beim mehstimmigen Fortissimo des Refrains. Wenn wegen schlechter Witterung die Prozession ausfiel, war das vor allem für diejenigen bitter, die gerade
für diesen einen feierlichen Anlass die vielen Kränze und Girlanden gewunden hatten. Wer am Abend nicht selbst am Entzünden eines Herz-Jesu-Feuers teil nahm, war fast verpflichtet, wenigsten Herz-Jesu-Feuer schauen zu gehen. Und es wurde um die Wette gezählt, wer mehr und wer die größeren Feuer sichten konnte. Auf dem „Furner Egga“ leuchtete jedes Jahr ein elektrisches „Herz-Jesu“, auf dem Stöfl Haus ein elektrisches Kreuz, und auf der ande ren Talseite sah man ähnliche Symbole, die auf den abgeernteten Wiesen oder Äckern
mit brennenden Naphthabehältern gebildet wurden. Besonders staunte man über die Feuer auf den Bergkämmen und über den Wagemut derjenigen die sie entzündet hatten. Bei manchen Feuern wurde gesungen und gespielt und man konnte von weitem sehen, wie sich die Körperschatten bewegten. Das gefiel dem gestrengen Pfarrer weniger. Und nicht selten erfuhr man am nächsten Tag, dass hier und dort fürs Herz-Jesu-Feuer „Schapa“ und „Knittl“ gestohlen worden waren. Der Portiunkula-Sonntag Der Portiunkula-Sonntag