Fragen sind völlig übergangen. Keine Rede, ob Besitz- oder Massen- Verbrauchssteuern, ob Schutzzoll oder Freihandel, ob Ge- nosienschaft oder Händlertum, ob Befähigungsnachweis oder Gewerbesreiheit. Kurz: darüber schweigt man sich aus. Wüßte man nicht, daß die christlichsoziale Partei alle Wirt- schastsprobleme vom Gesichtspunkte ihrer Parteitaktik,'die aus dem Streben nach Erhaltung der Klassenherrschaft er- fließt, betrachtet, aus ihrem neuen Programm könnte sich niemand ein klares Bild
ihrer Bestrebungen machen. Die christlichsoziale Partei stützt sich bekanntlich in der Haupt sache auf die breiten Massen der Landbevölkerung. Aber vergebens sucht man in diesem Programm eine konkrete Formulierung ihrer Agrarpolitik. Man erfährt nicht, ob die herrschende Partei die Fideikommisse aufrechterhalten, Anerbenrecht und Höferecht Hochhalten will oder nicht, was sie von der Bauernstedlung auf Herrenland, was sie vom Pächterschutz, von den Agrarservituten hält, wie sie die Landflucht einzudämmen gedenkt
, des Großgrundbesitzes, das ist die Klassenherrschaft. Die Herrschaft der Inhaber der Produktionsmittel über die Ar beiter und Angestellten, die ihnen in den Fabriken, auf den Land- und Forstgütern und in den Kanzleien ftohnen müs sen, es ist das die Herrschaft der Großkapitalisten über das ganze Volk, dem sie die Preise, den Zinsfuß, die Löhne und Gehalte diktieren^ Aus diesem Programm wird also ersichtlich, daß sich die christlichsoziale Partei als die Sammelpartei aller Schichten des Stadt- und des Dorfbürgertums
betrachtet, das an der Verteidigung der kapitalistischen Gesellschafts ordnung das größte Interesse zu haben glaubt. Darum wird alles verschwiegen, was geeignet wäre, diese bürger lichen Kreise gegen einander in Gegensatz zu bringen. Es wird dadurch der Gefahr vorgdbeugt, daß sich der Anhang der christlichsozialen Partei, das sind die Großkapitalisten, das Mittelstandsbürgertum, die Großgrundbesitzer, die Großbauern, die Schwarzgelben, die Republikaner, die An schlußfreunde, die Anschlußgegner entzweien
könnten und einzelne dieser Gruppen aus der christlichsozialen Partei ausscheiden oder ihr die Unterstützung versagen könnten. Aber mit den vereinigten Großkopfeten allein kann die christlichsoziale Partei nicht die politische Macht im Staate auftecht erhalten und ihre Herrschaft ausüben. Sie brauch: hiezu die Stimmen auch der breiten Massen der Arbeiter. Arbeiterfrauen, Angestellten, Meinbauern usw., und wir wißen leider aus Erfahrung, daß sie die Gefolgschaft die- fchmerz prägt. Qual