auch gelingen möge, dem Land Tirol in seinem Herzen, der Landeshauptstadt, ein Tagblatt zu geben, eine ebenso mutvolle Kämpferin für die In teressen der christlichsozialen Partei, die zugleich auch die wahren Interessen des arbeitenden Volkes sind. Nach einem kurzen Begleitwort, das der Führer Dr. Lueger der großgewordenen publi zistischen Vertreterin widmet und in dem er der „Reichspost' allen Erfolg wünscht, gibt Hofrat Dr. Albert Geßmann dem Blatte den ersten Leitartikel mit auf den Weg, aus dem wir fol
gende Gedanken herausnehmen: Das allgemeine, gleiche und direkte Wahl recht bildet einen Markstein für die christlichsoziale Partei. Aus ursprünglichen kleinen Anfängen ist sie heute Reichspartei geworden. „In dem Maße, als das Wachstum der Partei zunahm, vollzog sich naturgemäß nach und nach die Umbildung derselben von einer Oppositionsfraktion in eine Arbeitspartei. So zuerst im Wiener Gemeinderate und im n.-ö. Landtage und jetzt, nach dem jüng sten Reichsratswahlsiege, auch im Parlamente
.' ... „Was einerseits die Stärke der christlichsozialen Partei ausmacht, ihre Eigenart, daß sie nicht auf eine einzelne Klasse oder einen bestimmten Beruf sich beschränkt und auch in territorialer Hinsicht als nunmehrige Reichspartei nicht etwa > ein einzelnes Kronland, sondern eben das ganze Reich als Arbeitsbasis besitzt, erhöht naturgemäß auf der anderen Seite die Schwierigkeit für ihr Borgehen, da sie bei jeder einzelnen politischen oder wirtschaftlichen Aktion nicht nur auf die direkt daran Interessierten
Rücksicht nehmen muß, sondern auch die eventuelle Rückwirkung auf alle übrigen Stände, Berufsarten u. dgl. ins Auge zu fassen hat. So legen die Verhältnisse schon an und für sich der Partei den Zwang auf, eine Politik zu treiben, die sowohl von praktischen wie theoretischen Gesichtspunkten als die einzig richtige bezeichnet werden muß. Denn nicht im einseitigen Kampfe für eine einzelne Klasse oder für die Bewohner eines eng umschränkten Territoriums kann der Gesellschaft, als Ganzes betrachtet, genützt
werden, sondern nur durch eine Tätigkeit, die in gerechter und weiser Voraussicht Licht und Schatten über alle Stände und Gebiete gleichmäßig verteilt und so einen harmonischen Ausgleich sämtlicher legitimen Interessen zur Durchführung bringt. Eine derartige Tätigkeit im Dienste einer zielbewußten, schrittweisen Evolution wird selbst verständlich einem gewissen radikalen Schreiertum den Anlaß geben, um die Partei vor der Gruppe der politisch Unreifen, die leider nie alle werden, zum Gegenstand von Verdächtigungen