. Politische Tages - Chronik. Wien» 6. Mai. Der neue Erzbischof von Wien bat an die Geistlichkeit und die Gläubigen seiner Diözese zwei Hirtenbriefe erlassen. Beide erinnern in Form und Inhalt sehr nachdrücklich an ähnliche Kundgebungen des verstorbenen Wiener Erzbischofs Rauscher, nach dessen Grundsätzen die Wiener Erz diözese lenken zu wollen, Dr. Kutschker ausdrücklich in seiner Ansprache an die Geistlichkeit erklärt. Die kirchliche Partei nach dem Sinne des „Vaterland' wird diese Verheißung, meint
derselben mit der österreichischen Negierung überflüssig; fiele aber die Enlscheidnng für das Vorgehen der Regierung günstig aus, so wäre damit auch schou das Schicksal der im Herbste zu machenden Vorlagen im Großen und Ganzen ent schieden. * — 6. Mai. In der Konferenz der liberalen Partei, welche um 6 Uhr begann, legte der Minister präsident TiSza die einzelnen Punkte des Vertrages über die Erneuerung des Zoll- und Handelsbündnisses dar. Sodann konslatirle er, daß der Ausgleich für Ungarn einen Gewinn von vier bis fünf
, welche hier von Sieg oder Niederlage sprechen; hier liege ein Kompromiß vor, bei welchem beide Theile gewannen und Opfer brachten. Redner fordert Aufrichtigkeit, die mehr als je geboten sei; wenn Jemand glaubt, daß ein Anderer einen bessern Ausgleich gemacht hätte, dann möchte er an maßgebender Stelle selben em pfehlen und er (Tisza) gibt sein Ehrenwort, daß er bereit sei, ihn aus allen Kräften mit Begeisterung zu unterstützen. Darum möge die Partei genau erwägen. Auf Simonyi'S Bemerkung, die eventuelle Kenntniß
- nahme der Antwort des Ministers auf die Interpella tion involvire noch nicht die Billigung, erwiderte TiSza: Dies sei irrig, denn die Monate bis zur Un terbreitung der Vorlagen gingen verloren, wenn bis dahin ein eventueller besserer Vorschlag unbenützt bliebe. Seine persönlichen Freunde in der Partei bittet er, jede persönliche Rücksicht beiseite zu setzen. Er habe sich nie nach dem Portefeuille gesehnt, würde dasselbe jedoch jetzt ungerne verlassen, da er über zeugt ist, daß jetzt etwas Besseres
und ob sie darnach abgethan seien, nunmehr sein Porteseuille zu behalten. Nach länge rer Diskussion beschließt die Partei. Dienstag und eventuell auch Mittwoch über da« Meritum zu ver handeln, damit der Ministerpräsident Donnerstag im Hause aus die eingebrachten Interpellationen erwidern könne. *— Im Unterhause stellte Jrauyi au deu Mi nisterpräsidenten folgende Interpellation: „Hat die in der „Nordd. Allg. Ztg.' einem Wiener und einem Petersburger Blatte enthaltene Meldung, wonach sich die Besetzung