Seite 2. Nr. 49. Donnerstag, „Brixener Chronik.' 23. April 1908. XXI. Jahrg. Gesetze ist es bei uns in Oesterreich gerade Mode, die Religion zu lästern; trotzdem gilt es bei uns in Oesterreich als Beweis von Bildung, die Religion zu verspotten, die Ueberzeugung der Katholiken zu verhöhnen. — Hochverehrte Ver sammlung! Ist es nicht so? Ich frage alle, die hier find! (Bravo!) Und warum, meine Herren, ist es so? Wie kommt es? Das kommt davon, weil bei uns in Oesterreich manche Gesetze
nur auf dem Papier sind und in Wirklichkeit in ihrer vollen Schärfe nicht oder nur selten angewendet werden. Ich will diese Tatsache durch einige drastische Beispiele beweisen. Nach unserem Straf gesetze gilt das Duell als Verbrechen. Und trotz dem ist es gerade bei uns in Oesterreich vorge kommen, daß der oberste Lenker des Staates, ein k. k. Ministerpräsident, das Verbrechen des Duells begangen hat und lein Kollega, der Justizminister, hat, etwa nicht die Duellanten ver haftet, obwohl das Duell ein Verbrechen
? Es ist ein außerordentlich trauriges Ereignis der jüngsten Zeit. Ein Jugendbildner, ein k. k. Hoch- fchulprofeffor, hat in einer großen öffentlichen Versammlung vor Hunderten von Menschen die katholische Religion in solcher Weise gelästert, daß die Katholiken tief empört darüber sein müssen. Nicht genug damit, wurde die Rede ge druckt und in vielen Tausenden von Exemplaren in Tirol, Salzburg und ganz Oesterreich ver breitet und damit ja niemand darüber im Zweifel fein kann, was damit gewollt und beabsichtigt sei
entrüstet: Diese Schmähschrift Wahrmunds, in der alles besudelt wird, was uns heilig ist, diese Schmähschrift Wahrmunds, in der besonders die heiligste Gottesmutter, Jungfrau Maria, beschimpft worden ist, diese Schrift wurde in Tirol, in Oesterreich verbreitet und in Tirol fand sich kein Staats anwalt, der diese Schrift konfisziert hätte. (Pfui- Rufe.) Erst in Wien fand sich ein k. k. Staats anwalt, der erkannte, daß diese Schrift Gesetzes übertretungen enthalte; dort wurde sie konfisziert. Wer
ausgespuckt und mit Füßen getreten. (Pfui-Rufe.) In Galizien hat vor wenigen Tagen ein Student zum Revolver ge griffen und den Statthalter erschossen. Ohne Religion gibt es keine Ordnung, ohne Religion keine obrigkeitliche Gewalt. (Bravo!) Alle Gewalt ist von Gott. Religion ist das Fundament des Staates und der Familie. Wer die Religion zerstört, zerstört den Staat, bedroht die ganze Gesellschaft. (Bravo-Rufe.) Diese Beispiele zeigen uns, daß wir in Oesterreich vor einem furchtbaren Abgrund angelangt