Vierter Bogen zum „Pustertaler Bote' Nr 23. Bruneck, Freitag, den 6. Juni 1913. — 63. Jahrgang. zm MstMü des SM Ml. Redl wurde überwiesen: 1. Homosexuellen Ver kehres der ihn in Schwierigkeiten brachte. 2. Berkauf reservater dienstlicher Behelfe au Agen ten einer fremden Macht. — Oberst Redl hat die geheimen Borschristen für die Mobilmachung beim Generalstabe in Wien, die bekanntlich unter strengstem Verschluß liegen, sowie die Erlässe des Generalstabes und des Kriegsmini steriums an Rußland
L jährlich betragen haben. Man ist über den Fall umsomehr entsetzt, als dieser Offizier früher der Leiter der Gegeuspionage gewesen ist. Es ist nur einem Zufall zuzuschreiben, daß Redl nicht Chef des Evidenzbureaus selbst wurde. — Redl soll ein Vermögen von 2 Millionen Kronen hinterlassen. Oberst Redl war nach seiner Ankunft in Wien von den ihn erwartenden Offizieren in das Kriegsministerium geführt worden, wo man ihm seine Entlassung aus dem Heeresverband bekannt gab. — Wie nun bekannt wird, begaben
fich die vier Offiziere mit ihm auf fein Zimmer und blieben dort bis 1 Uhr morgens. Sie entfernten fich und ließen auf feinem Tisch eine Browningpistole zurück. Als um 4 Uhr früh der Diener des Obersten beauftragt wurde, im Zimmer Nach schau zu halten,, fand dieser seinen Herrn in einer Blutlache aus dem Boden liegend aus. Oberst Redl hatte fich gegen zwei Uhr früh vor dem Spiegel erschossen. Die Tragweite dieser Denunziationen wäre vielleicht erst dann ans Licht gekommen, wenn die Monarchie
, wie es ja eine Zeitlang schien, wirklich in einen Krieg mit jener Macht verwickelt worden wäre, für die Redl arbeitete. Es ist ein großes Unglück, daß Oberst Redl nicht rechtzeitig erkannt wurde. Der erste Verdacht,gegen Redl tauchte auf, als die Korps Prag und Leitmeritz strenge Reservatbefehle erhielten, wie fie fich im Falle eines KonMes mit Rußland zu verhalten hätten. Nach diesen Befehlen sollten beide Korps nach Belitz marschieren, um fich dort mit dem 17. schleichen (preußischen) Korps (Breslau) zu vereinigen
kommando eine falsche Disposition ausgegeben, die jedoch wirkungslos blieb. Desgleichen wurde beim 8. Korps ein solcher Befehl ausgegeben, worauf sofort eiue Reflexbewegung in Rußland sich einstellte. Nunmehr wußte man, daß die Spionage im Bereiche des 8. Korps betrieben wurde. Die Meldung mehrerer Blätter, daß Oberst Redl an militärischen Besprechungen mit reichs- deutscheu Offizieren teilgenommen habe und hiedurch in die Lage gekommen ist, auch mili tärische Geheimnisse des Deutschen Reiches