-I- 211 „Es gab einmal eine Zeit,' sagte sie langsam, „da ich an dich glaubte und viel von dir erhoffte, Leo. Du wußtest mich zu begeistern für deine Kunst und mich glauben zu machen, daß in dir ein Genie steckte. Darum habe ich dich damals auch bedauert, daß Vater dich zwang, den brotlosen Künsten, wie er sie nannte, zu entsagen, und dich ins Geschäft nahm. Jetzt bin ich anderer Meinung geworden. Ich glaube nicht mehr an dich, Leonhard, und stehe auf des Vaters Seite.' „Erlaube mal
, Schwesterchen —' „Laß mich einmal ausreden, Leo', sprach Hedwig sanft weiter. „Daß du ein schönes musikalisches Talent hast, daß du ein kleines frisches Liedchen aus dem Handgelenk aufs Papier werfen kannst, das streitet dir keiner ab. Auch hast du damals deine Zeit gut ausgenutzt, als Bater deinem Drängen endlich nachgab und dir Kompositionsunterricht geben ließ. Aber was ist aus der Aus saat geworden? Du versprachst goldene Berge und wolltest ein Meister werden, redetest von Ruhm und Lorbeeren und sahst
dich schon im Geiste als gefeier ten Komponisten. Es ist ein Jam mer, Leo. Du verzettelst deine besten Kräfte, betreibst nichts mit Lust und Eifer, vertrödelst deine Zeit in zweifelhafter Gesellschaft, gibst Unsummen aus in Spiel und allerlei Sport —' „Nun hör aber auf, Hedwig!' fuhr Leonhard dazwischen. „Du wirst zugeben, daß ich deine Li tanei mit Geduld und Selbstver leugnung angehört habe. Na ja, ich bin kein Engel gewesen und werde wohl auch keiner werden. Die Mohrenwäsche ist vergeblich
wird der große Erfolg da sein. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.' „Leo, du kannst es mir wirk lich nicht verargen —' „Tu' ich auch gar nicht, Kleine. Aber nun sei gut und hilf mir noch einmal aus der Patfche. Du und die Mutter,ihr müßt auf mei ner Seite stehen. Ich verspreche dir auch, wenn dieser Riß erst verkleistert ist, soll's anders werden.' „Leo, das hast du schon oft versprochen.' „Wer diesmal ist es Ernst, Hedwig. Wahrhaftig, ich werde mich von Lüttenhorst und den anderen zurückziehen
. Es ist doch kein Wunder, wenn ihm endlich die Geduld reißt. Jedesmal ver sprichst du ihm wieder, es solle nun das letzte gewesen sein, und nach ein paar Monaten bist du auf demselben Fleck. Wenn du doch wirklich anders würdest!' „Wie schon gesagt, du wirst es erleben. Also ich habe dein Wort.' — Er stand auf und wollte fort. Wer die Schwester hielt ihn noch einmal zurück. „Leo, ich glaube, Vater würde dir schon eher noch einmal zu Willen sein, wenn du ihm seinenHerzenswunsch erfüllen könntest, du weißt schon