Dorffrieden und Alpenwildnis : Geschichten aus den Tiroler Bergen
— 110 -- Hofbauer, sie so unglücklich, so roh zu Boden geschleu dert habe? Der Perdazer trat polternd bei dem Lehrer ein und wollte sich mit herrischen Worten melden. Da sah er, wie der Schulmeister die Finger, als Zeichen des Schweigens, an die Lippen legte. Dann deutete er nach seinem Bette: darin lag die Bettlerin, ohne Bewegung, farblos, die Augen geschlossen. Der reiche Perdazer zuckte jäh zusammen; war sie tobt? Nein, denn dann hätte der Lehrer nicht Schweigen geboten; Tobte
sind unerweckbar. Der Schullehrer nahm den stolzen Bauer bei der Hand und zog ihn in die Küche hinüber, in der aus dem Herde ein paar Holzscheite lohten. „A schlimmer Handt, Vorsteher!" sagte er flüsternd. „Wer sagt's? Für wen is der Hand'l schlimm?" gab der Bauer rauh zurück, indem er sich stellte, als ob er den Schulmeister nicht verstünde. „Für Euch! Laßt 's das bleib m, Vorsteher," sagte der Lehrer nachdrücklich, mit diesen Worten auf die Verstellungskünste des Bauers hinweisend. „I' Hab' all's g'seh'n
!" Über das Gesicht des Perdazers legte sich eine dunkle Wolke. Er begriff sofort, daß hier das Leugnen und die Verstellung nicht am Platze seien; hier galt es, rasch und klug zu handeln. „Willst zum G'richt,mich angeb'n ?" fragte er lauernd. „ Davon hält' i nix, Vorsteher," erwiderte der Lehrer leichthin. „I' will Euch aus der Schmier helfen!" - Er machte eine Pause; der Bauer erwiderte nichts.