. Manchmal kam ihr auch ein richtiges Heimweh; ein Verlangen, jemand zu haben, der sich um sie bekümmerte, der gut zu ihr sprach, so wie Binder früher zu seiner Frau gesprochen, so wie Hansis Mutter mit ihm geredet, eine Mutter, der sie alles hätte sagen können, auch alles, was da drinnen so unklar, so schwer und so bang war und sie quälte und ihr doch wieder so süß erschien, daß sie es nicht abschütteln mochte — stundenlang blieb sie oft liegen, ganz im Banne der fremden Macht. Hörte sie dann Binders
Stimme, sprang sie sofort auf; sie wußte, sie hatte Unrecht getan, und er würde sie zanken; mit gesenktem Kopf kam sie zu ihm, mit Augen, die ganz dunkel aussahen wie Kuchleraugen, mit einem trotzigen Zug um den Mund, und ließ alles über sich ergehen. Hatte den Binder das ganz besondere Wesen, ihre von den andern unterschiedliche Art zu arbeiten, überhaupt et was anzupacken, stets ärgerlich gemacht und zum Wider stand gereizt, so brachte ihn ihre offenbare Faulheit oft so weit, daß er zuschlug. Nie
. Bin der war auch da. als er schweißtriefend und keuchend ankam, und rückte ihm bereitwillig den Stuhl zurecht; die Nann brachte kalte Milch und Brot aus dem Keller, denn der Mi chel in seiner Mordshitze hatte gleich um Milch geschrien. Nun saßen sie in dem Halbdunkeln Zimmer, das voll grüner Lichter war von den Blumenstöcken an den Fenstern, und der Michel sah den Binder zufrieden an. noch mehr aber die Nann. die ab- und zuging in ihrem sauberen weiß und blauen Leibchen, ganz Gesundheit und Frische, die klei nen Schweißperlchen
war und in ihren Augen ein alter Mann! Diesen wüsten, groben Kerl, der das Gutsein ganz verlernt hatte und sie und die Kin der schlug? Um keinen Preis der Welt hätte sie sich von diesem ror- bärtigen struppigen Kerl küssen lassen, von ihm. dessen Stie fel sie schon mit Widerwillen putzte! Dieser abscheuliche Mi chel! Die Nann hätte gerad' hinausheulen mögen vor Zorn über den frechen Kerl, was fiel denn dem ein, sie so zu necken? Sie war doch noch ein Kind! Ganz langsam ging sie auf den kleinen Spiegel zu. — Sah
zu sein. Es war etwas zwischen ihnen, und die Nann fragte sich oft: „Ja, was ist denn anders, seit der Mi chel so dumm geschwätzt hat?" Der Binder war kein an drer, sie war keine andre, und er konnte doch auch nicht denken, daß etwa sie heiraten wollte! Sie mußte ja lachen, wenn sie nur daran dachte! Und doch war sie unruhig, sie hatte eine förmliche Angst vor dem Bahnwart, sie zitterte vor ihm, obwohl er sie fast nicht beachtete, ja, sie hatte schon einmal des Nachts davon geträumt, daß der Binder mit einem ganz lachenden Gesichte