Unter zwei Sonnen. Nocturno
— 115 — liedern, die aus der Höhe sanken, von den Burgen, über die der Eh heu schlich ... Aber so einen Frühlingstag kann man nicht beschreiben, ja ich glaube, wenn mall vom lieben Herrgott verlangen würde, er möchte einen ganz gleich schönen Frühlingstag noch einmal schassen, — ich glaube, er brächte es nicht wieder zusammen. Von was wir redeten, weiß ich auch liicht mehr, viel leicht von den Rosen zu Florenz, von den Palazzis der Lagunenstadt, von den dustenden Gärten zu Pegli
oder vom schiefen Turm zu Pisa, oder voll Noin, von der sauta soà, über welche die Menschen knieend hinanssteigen, viel leicht auch etwas ganz Gewöhnliches, vom Wetter, vom Theater, von Schnitzler's „Liebelei", welche man gestern gegeben hatte. Wichtig ist nur, daß wir uns allerlei Unwichtiges zu sagen hatten, daß wir immer neben einander gingen und immer ein gut Stück von den andern entfernt, daß es uns unangenehm war, wenn jemand ein Stück mit uns ging, und daß rings Heller Sonnenschein lag. Wichtig
ist ferner, daß wir es wohl kaum dem bloßen Zufall zu danken hatten, wenn wir später im Gasthause nebeneinander saßen, ferner, daß wir ganz still die Gläser aneinanderrückten und uns in die Augen schauten, daß wir uns unsere Photographien versprachen und unter dem Tisch uns die Hände drückten. Die Sonne neigte den Bergen zu. War früher alles Weiß und Unschuld, so war jetzt alles Rot und Liebe. Am Heimweg gingen wir wieder nebeneinander. Wir dursten freilich nicht glauben, daß uns niemand bemerkt
hatte. Unsere Hände drückten sich noch öfter als früher und beim kleinsten Bächlein half ich dem Mariechen hinüber, obwohl das ganz unnötig gewesen wäre.