Donnerstag, den 12. Dezember 1929 «r. iD'— Setze 8 Der Wmmelhof Roman von Felix Nabor. l Nachdruck verboten.) 23. Fortsetzung und Schluß Besonders auf Reinhard hatte er es ab gesehen; so oft dieser erschien, geriet er in größte Aufregung und fing zu schelten und zu fluchen an. Als daher Aaga das wutver zerrte Gesicht ihres Bruders am Fenster sah, erkannte sie, daß bei dem Armen der Wahn sinn aufs neue ausgebrochen war. Sobald sie daher ab kommen konnte, ging sie, nachdem sie die Gotenkrone
sie denn auch. Als ein Schwarm neuer Gäste ankam. schlüpfte sie hinaus, setzte sich ans Fenster und träumt« tn die Nacht hinaus. Cs war ein bitter-süßer Maien- träum — vom Werden und Vergehen ihres Geschlechtes, von Not und Tod, Schmerz und Weh, Glück und Unheil, blindem Haß und seliger Diebe. Süß ist die Liebe, heiß ist der Haß, bren- nend wie Gist aus einer Natter Zahn, und bitter ist der Tod — bitter wie Aloe in einem Gefäß mit Myrrhe. Aus Liebe und Haß. Arbeit und Not, Glück und Sorgm baut sich das Leben
auf; aber an ollm Wegen steht zuletzt der Tod, der bleiche Schnitter, und sein Sensenklang rauscht schauerlich durch die Welt. „Welches wird mein Weg und Ende sein?' dachte Aaga und fragte sich, woher Ihr di« schweren, düsteren Gedanken kämen? Lag es im schwerm Blut oder kamen sie von der Krone, die sie trug...? Schwer war die Krone und schwer war ihr das Blut. — Der Kopf wirbelte ihr von dm schwevm Gedanken, da öffnete sie dos Fenster und blickt« in die Nacht hinaus. -Bot? Der Wind Harste «in süßes Maienlied
wie erstarrt» mit entsetzensgrotzen Augen. Auf dem Bette lag Aaga, bleich und still, mit gelösten Haaren, ihrer Krone be raubt. Dicht beim Bette brannten zwei Kerzen, deren Flammm di« Fenstervorhänge und dm Spitzenbesatz der Kisten erfaßt hatte. Aus Bett und Fenster brachen die Flammm, Rauchwolken blähtm sich an der Decke, eine Feuersäul« schoß zum Himmel empor, zornig knisternd wehten die rotm Fahnm durch die Nacht. Auf der zweiten Fensterbank aber saß Gottfried, der Narr, di« Krone der Jffinger
und funkensprühend zur Erde Hmlend flog die Brunst über Dach und Giebel, wild schlang die rote Furie ihre knat ternde Fahne aus dem First, wirbelnd stobm Rauchwolken zum Himmel, ringelten sich um Fenster und Türm, fuhren, von züngelndm Flammen gepeitscht, zischend aus Fugen und Ritzm, wanden sich wie dicke, gelbgrau« Riesenschlangen um Mauern und Wäsch«. Erst nach langer, langer Zeit traf Hilfe aus dem Dorfe ein; doch kam sie zu spät. Um Mitternacht war der Himmelhof «in rauchender Aschenhaufm, nur die Reben