TAGBLATT Nr. 229 C.C.P, Montag, den 2. Oktober 1944 1 Lira 2. lahrg ng Ohne Illusionen st. B o z e n, 2. Oktober. Das Wort von den Deutschen als dem Volke der Dichter und Denker ist viel missbraucht und wie jedes Schlag wort im Laufe der Zeiten zu Schanden geritten worden. Wir erinnern uns an die Zeiten der deutschen November regierung, in denen es förmlich zum unheilvollen Programm der deutschen Staatspolitik erhoben wurde. Damals glaubte man allen Ernstes recht daran zu tun, wenn man der Welt
feierlich erklärte, nun sei der Geist von Pots dam endgültig überwunden und durch den Geist von Weimar ersetzt worden. Man glaubte von den Gegnern, die‘in Paris die Bestimmungen der Zwangs diktate- ausarbeiteten, mehr Entgegen kommen, Verständnis und Liebe für das deutsche Volk zu finden, wenn man ihnen beteuerte, dass man in Deutsch land jetzt nur mehr dichten und denken wolle und dass darin der Anfang und das Ende aller deutschen Zukunftspo litik bestehen werde. Dies war der ty pische Fall
jener deutschen Illusions politik, die uns im Laufe der Geschichte unseres Volkes immer wieder begegnet und die dann stets so schwer und bit ter bezahlt werden musste. Es ist immer gefährlich, Politik da durch zu machen, dass man sich Illu sionen hingibt. Wir alle haben dies an uns selbst gefühlt. Irgendwie gab es immer Augenblicke, in denen man ver sucht war, die Zukunft .rosiger zu sehen oder einen Erfolg schneller und sicherer zu erreichen, indem man sich kritiklos einer Illusion hingab, einem Traume
die der Politik absolut nüchtern betrachte* und auch nüchtern darnach hande!', kann der Kampf mit Erfolg bestanden werden. Diese Erkenntnis ist gerade in den letzten Wochen und Mo naten wohl überall in unserem Volke zum Allgemeingut geworden. Heute gibt es wohl kaum einen Deutschen mehr, der hoffen würde, dass es ihm gut gehen könnte, wenn die Feinde siegen und das Land besetzen würden. Heule kann es auch keinen mehr ge ben, der glauben könnte, die Amerika ner und Engländer würden in einem solchen Falle
menschlicher mit uns verfahren, als die Bolschewisten. Die Staatsmänner der Westmächte, Mini ster, Politiker, Generale, haben ganz eindeutig und brutal das gleiche Ver- nichtungsprcgiarnm verkündet, das für den Kreml schon seit langem feststand. Sie haben auch ihren Willen bekundet, keinen Ihifersehied zwischen einzelnen deutschen Stämmen zu machen und in den Süddeutschen oder Westdeutschen keine anderen Menschen zu sehen, als etwa in den Preussen. Sie halten sich an das Wort Sir Robert Vansittards